Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden (Verdener Urkundenbuch, 1. Abteilung). Band 1 Von den Anfängen bis 1300, Band 2 1300-1380, bearb. v. Mindermann, Arend (= Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden 13, 21 = Veröffentlichungen der historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 205, 220). Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Stade 2001, 2004. CVII, 921, LXVIII, 1230 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Verden an der Aller (im Gegensatz zu Verden [Verdun] in Lothringen) ist mit knapp 27000 Einwohnern in der Gegenwart nur eine kleine Stadt. Auch das vielleicht am Ende des 8. Jahrhunderts von Karl dem Großen während seines Kampfes gegen die Sachsen - mit einem „Blutbad“ oder „Blutgericht“ bei Verden - gegründete Bistum errang nur ein bescheidenes weltliches Hoheitsgebiet, das am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 für einige Zeit sogar noch an die auswärtige Großmacht Schweden fiel. Dementsprechend gestaltete sich die das Mittelalter betreffende Forschung über das Verdener Hochstift lange recht bescheiden, obwohl die Erstellung eines Urkundenbuchs des Bistums Verden mehrfach ins Auge gefasst wurde.

 

Eine intensivere Erforschung der Verdener Bistumsgeschichte setzte demgegenüber jedoch, wie der Bearbeiter der beiden in kurzer Zeit von ihm vorgelegten stattlichen Bände in seiner gut lesbaren Einleitung darlegt, seit etwa der Mitte der 1980er Jahre ein. Dabei wurde erneut schmerzlich bewusst, dass alle bisher vorliegenden Editionen eine umfassende Urkundensammlung zur Geschichte der Verdener Bischöfe und des Verdener Domkapitels nicht ersetzen können. Aus diesem Grunde wurde im Rückgriff auf Zielsetzungen Wilhelm von Hodenbergs vor mehr als anderthalb Jahrhunderten der Plan eines Verdener Urkundenbuchs in drei Abteilungen (Bischöfe und Domkapitel, Stift, Stadt) entwickelt, in dessen Rahmen alle ausgestellten und empfangenen Urkunden der Verdener Bischöfe, Weihbischöfe und General-Vikare sowie des Domkapitels aus den Jahren bis 1502 der Allgemeinheit in einer wissenschaftlichen Ausgabe zur Verfügung gestellt werden sollen.

 

Dabei wurde den Beteiligten sehr schnell klar, dass angesichts der großen Verluste des Archivs der Verdener Bischöfe und des Domkapitels eine reine Fondsedition ausgeschlossen war. Deswegen wurde eine Entscheidung zu Gunsten eines erweiterten Provenienzprinzips getroffen, weil die reichhaltige, zersplitterte Überlieferung das Pertinenzprinzip als unerfüllbar erscheinen ließ. Landschaft und Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Landschaft des ehemaligen Fürstentums Lüneburg, Lüneburgische Landschaft und Verden selbst stellten gemeinsam die erforderlichen Mittel für die Verwirklichung dies Planes durch den Bearbeiter zur Verfügung.

 

Auf der Grundlage der in der Einleitung dargelegten Überlegungen und des beeindruckend umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnisses beginnt der erste Band mit einer um 1147/1150 auf den 29. Juni 786 gefälschten Urkunde Karls des Großen über die Gründung eines Bistums in Verden, die als ersten Bischof Suitbert nennt, obwohl es nach dem kurzen Kopfregest des Bearbeiters einen Verdener Bischof Suitbert nie gegeben hat. Mit den irischen Missionsbischöfen Spatto (um 815/816)  und Tancho (wohl nach 815/816 und vor 829) wird dann ein sicherer, aber nach Ausweis der dargelegten Urkunden doch sehr dünner Grund erreicht. Für die Zeit bis zum 15. September 1300 versammelt der Bearbeiter insgesamt 772 Urkunden, für die er stets ein Regest und meist auch einen vollständigen Abdruck vorlegt.

 

Der zweite, von 1300 bis 1380 reichende Band verzichtet demgegenüber angesichts der stark anschwellenden Quellenmenge bei einer größeren Zahl von Urkunden auf die Wiedergabe des vollständigen Textes und beschränkt sich auf ein ausführliches Regest. Er setzt mit einer Nachricht ungenannter Angehöriger des Klosters Lilienthal an Bischof Friedrichs I. (von Boizenburg) von (nach 15. September) 1300 bis (vor) 9. Januar 1312 über einen Überfall ein (Nr. 1). Den Beschluss bildet die Überlieferung über den Tod Bischof Heinrichs I. von Langlingen am 23. Januar 1380 (Nummer 1087).

 

Beide Bände enthalten im Anhang zahlreiche Abbildungen von Siegeln vieler der insgesamt erfassten 41 Verdener Bischöfe. Umfangreiche Indizes weisen die angesprochenen Orte und Personen sowie auch ausgewählte Sachen nach, wobei in den Texten das Mittelniederdeutsche kurz vor 1350 allmählich deutlicher sichtbar wird. Insgesamt ist dem Verfasser in kurzer Zeit in Schließung einer bisher bestehenden bedauerlichen Lücke eine beachtliche Leistung gelungen, deren baldige erfolgreiche Fortsetzung sehr zu wünschen ist.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler