Twellmann, Marcus, „Ueber die Eide“. Zucht und Kritik im Preußen der Aufklärung. Konstanz University Press. Paderborn 2010. 334. S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die im Sommersemester 2009 an der Universität Bonn im Sommer 2009 angenommene Habilitationsschrift für neuere deutsche Literaturwissenschaft, des 1972 geborenen, 2004 mit einer Dissertation über das Drama der Souveränität - Hugo von Hofmannsthal und Carl Schmitt an der Universität Frankfurt an der Oder promovierten, derzeit als wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsstelle Kulturtheorie und Theorie des politischen Imaginären im Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration an der Universität Konstanz tätigen, im Internet hoffnungsfroh und überzeugend strahlenden Verfassers. Sie befasst sich mit den unterschiedlichen Formen der Kritik an Amtseiden, Bekenntniseiden, Judeneiden, Gerichtseiden, Huldigungseiden und Fahneneiden im Preußen der Aufklärung. Die in dieser Auseinandersetzung mit den Mitteln staatlicher wie kirchlicher Zucht entwickelten Techniken und Taktiken sind ein wichtiger geistesgeschichtlicher Forschungsgegenstand.

 

Der Verfasser betrachtet ihn außer in Einleitung und Schluss in insgesamt sieben Kapiteln. Sie betreffen den Eid als Werkzeug der internen Zucht im Verhältnis zur Eideslist des gemeinen Mannes, das Zeremoniellwesen der Aufklärung, die Läuterung durch die Universitätsphilosophie, die Klerikalmoden, die Judeneide, den Fahneneid und die Gegenaufklärungen mit meist einem bedeutenden Gelehrten in der Mitte. Dabei wird ein weiter Bogen von Immanuel Kant über Nicolaus Sebaldus Nothanker, Moses Mendelsohn und Johann Jakob Engels bis zu Carl Schmitt gespannt, in dem der Verfasser Einfallskraft und Gedankenreichtum von Thomas Abbt bis Johann Friedrich Zöllner zu demonstrieren vermag.

 

Allerdings verlegt der Verfasser seinen aus einem einseitigen Wiener Flugblatt des Jahres 1579 (Abbildung 1 als einzige Abbildung?) transkribierten Ausgangstext von Pressburg im tatsächlichen Ungerlandt in ein ziemlich unbekanntes Angerlandt und gibt auch sonst den Inhalt nicht zeichengetreu und nicht wortgetreu wieder, wie dies bei einem Schlüsseltext zu erwarten wäre. Als letzte Ausgabe des Strafgesetzbuches sieht er den Kommentar von Schönke/Schröder an, der im Literaturverzeichnis nur eine Auflage des Jahres 2006 zu haben scheint. Dass der Verfasser sich in die Gesamtrechtsgeschichte des Eides nicht ernsthaft verstrickt, wird man ihm von Interesse und Aufgabenstellung her nachsehen müssen und können, doch birgt der Ritt über den Bodensee auch für den am anderen Ufer des Exzellenzclusters Angekommenen stets gewisse Gefahren.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler