Telesko, Werner, Das 19. Jahrhundert. Eine Epoche und ihre Medien (= UTB 3392). Böhlau, Wien 2010. 336 S. Besprochen von Martin Moll.

 

Die seit langem gängige Redewendung, etwas stamme aus dem 19. Jahrhundert, soll Rückständigkeit ausdrücken. Werner Telesko zeigt in diesem kompakten, reich illustrierten Band, wie sehr solche Aussagen dem in Rede stehenden Zeitraum Unrecht tun, denn in diesem durch Französische Revolution 1789 und Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 umgrenzten, langen Jahrhundert wurden die Grundlagen des folgenden, ja unserer modernen Welt überhaupt gelegt. Es gibt selbst heute nur Weniges, das damals nicht schon vorbereitet oder vorgedacht wurde.

 

Aus der schier unendlichen Fülle technischer, wirtschaftlicher, politischer, sozialer und ideenmäßiger Umwälzungen zwischen 1789 und 1914 – die Epochengrenzen werden großzügig gehandhabt und in beide Richtungen überschritten – greift Telesko die Medien heraus, wobei er einen sehr weiten, keineswegs auf die Massenmedien eingeschränkten Begriff zu Grunde legt; gleich einleitend spricht er von „Medienrevolutionen“ in dem behandelten Zeitraum (S. 7). Wohl geht Telesko auch – leider auf mehrere Abschnitte des Bandes verstreut – auf die technischen Umwälzungen der Medien im engeren Sinn ein, doch sein Hauptaugenmerk richtet der Autor auf die Frage, „in welcher Weise die alten und neuen Medien der Schrift- und Bildkultur auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen reagierten und diese wiederum beeinflussten“ (S. 7).

 

Mit Schwerpunkt auf dem europäischen und hier wiederum auf dem zentraleuropäischen Bereich untersuchen vier große Hauptkapitel mit insgesamt 16 Unterabschnitten die politischen und sozialen Grundlagen, visuelle Strategien, Wissenskulturen sowie „Mensch und Wahrnehmung“. Unter der übergreifenden Fragestellung, wie sich technische Innovationen (an denen dieser Zeitraum überaus reich war) und die bewussten und noch mehr die unbewussten Reaktionen der Zeitgenossen zueinander verhielten, fragt Telesko insbesondere nach z. T. grundlegend veränderten, ja völlig neu strukturierten Rezeptionsformen, ohne deren Gewordensein aus älteren Vorläufern auszublenden. Über Bekanntes wie die durch enorm beschleunigtes Reisen und Nachrichtenübermittlung angestoßene, neue Wahrnehmung von Raum und Zeit hinaus bietet der Verfasser eine beeindruckende Fülle neuer Einsichten, die zwar einen kunstgeschichtlichen Schwerpunkt haben, jedoch kaum ein relevantes Themenfeld auslassen.

 

Der Rezensent zögert, den lesenswerten Band (nur) einem bestimmten Leserkreis zu empfehlen. Die Reihe, in der das Buch erschienen ist, sowie die zahlreichen Zwischenüberschriften deuten auf eine intendierte Einführung für ein am Gegenstand interessiertes, aber noch unkundiges Publikum (so auch der Verlagstext auf der Rückseite). Andererseits ist der Inhalt sehr ins Detail gehend, abstrahierend und theoriegeleitet, so dass vor allem Leser mit einigem Vorwissen den Band mit Gewinn studieren werden. Vielleicht liegt es an der Komplexität des Gegenstandes, dass der Verfasser auf eine Zusammenfassung verzichtet hat.

 

Graz                                                                                                   Martin Moll