Straubel, Rolf, Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, 2 Teile (Biographien A-L, Biographien L-Z) (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 85 = Einzelveröffentlichung des brandenburgischen Landeshauptarchivs 7). Saur, München 2009. XIX, 604, V, 605-1180 S. Besprochen von Dietmar Grypa.
Der Verfasser der anzuzeigenden Publikation beschäftigt sich seit rund fünfzehn Jahren mit der preußischen Verwaltung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Alten Reiches. Nach Monographien über die soziale Rekrutierung und Karriereverläufe der Beamten im altpreußischen Staat (1998) sowie über die Wirtschafts- und Finanzpolitik im ministeriellen Kräftespiel (1999) hat Rolf Straubel nun ein biographisches Handbuch über die preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten der Jahre von 1740 bis 1806/15, also vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiener Kongress, vorgelegt. Das entscheidende Kriterium für die Aufnahme einer Person „war die Tätigkeit in einer Provinzialbehörde (Kriegs- und Domänenkammer, Regierung), in einem Fach- oder Provinzialdepartement des Generaldirektoriums, der Oberrechnungskammer sowie des Justizdepartements“ (S. XIII); nicht berücksichtigt wurden bewusst solche Personen, für die der Rats-Titel nur ein bloßes Prädikat war (S. XV). Land- und Steuerräte, aus deren Reihen sich die Kammern „in einem beachtlichen Maße“ rekrutierten, wurden dagegen ebenso miteinbezogen wie einige ausgewählte Angehörige des Diplomatischen Corps. „In zeitlicher Hinsicht setzt das Werk mit denjenigen Personen ein, die im Stichjahr 1740 ein Ratsamt bekleideten und endet mit denen, die bis zum Herbst 1806 in ein solches gelangten“ (S. XIII).
Insgesamt bietet der Band dem Benutzer Biogramme von über 3500 mittleren und höheren Verwaltungs- und Justizbeamten aller Provinzen des Königreichs Preußens außer dem schweizerischen Neuenburg, wobei Straubel in seiner reflektierten und konzisen Einleitung betont, dass trotz allem Bemühen um „Vollständigkeit“ der Erfassungsgrad der Beamten für den Untersuchungszeitraum stark schwankt: So konnte er für die Jahre zwischen 1770 und 1806 trotz regionaler Unterschiede für die meisten Gebiete Preußens etwa 90 Prozent der neu ernannten Räte erfassen, für den Zeitabschnitt von 1740 bis 1770 hingegen nur rund zwei Drittel; für die Räte wiederum, die bereits vor 1740 im Amt waren, fand sich bei nur etwa der Hälfte biographisches Material, das für ein Biogramm ausreichend war. Generell gilt, dass in allen drei genannten Zeitabschnitten der Erfassungsgrad regional stark schwankt (S. XIV).
Die Biogramme des Bandes sind, soweit es die Quellenlage erlaubt, nach einem festen Gliederungsschema aufgebaut. Nach der graphisch etwas abgesetzten Angabe der letzten Amtsbezeichnung, des Namens und der Lebensdaten des Beamten beginnt das Biogramm mit dem Geburtsort und dem Geburtsdatum sowie dem Todesort und dem Todesdatum. Es folgen Angaben zu den Eltern, wobei im Hinblick auf den Vater, soweit möglich, die wichtigsten Daten zu dessen Ausbildung und beruflicher Tätigkeit genannt werden, während bei den Müttern zumeist nur der Mädchenname erwähnt wird. Besonders dankbar wird jeder Benützer Rolf Straubel dafür sein, dass er darüber hinaus zahlreiche Angaben zu weiteren Verwandten der behandelten Person wie den Geschwistern, Großeltern, den Geschwistern der Eltern oder Neffen zusammengetragen hat. Auf die Informationen zur familiären Herkunft folgen im Biogramm Angaben zu Schulbesuch und Studium, bevor die verschiedenen Stationen der beruflichen Laufbahn des Beamten aufgelistet werden. Ein besonderes Augenmerk legt Straubel darüber hinaus zu Recht auf den Nachweis der Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge, wobei er sich hier zumeist auf die umfassenden und profunden Nachschlagewerke Karlheinz Gerlachs stützt. Die große Zahl der auf diese Weise erfassten Freimaurer unter den preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten zeigt deutlich, welche Bedeutung der Eintritt in eine Loge für die Laufbahn im Staatsdienst haben konnte. Soweit ein Beamter sich schriftstellerisch betätigte, wurden seine wichtigsten Werke am Ende des Biogramms aufgeführt.
Angesichts des Umstands, dass „die Quellen des öfteren widersprüchliche Angaben“ liefern (S. XIII), wurden unklare oder widersprüchliche Daten in runde Klammern gesetzt und zum Teil mit einem gesonderten Quellenverweis versehen. Kursiv im Text gekennzeichnet sind Zitate aus den ungedruckten Quellen, häufig handelt es sich dabei um „in den Konduitenlisten“ gegebene Charakterisierungen. Hier finden sich mitunter ausgesprochen prägnante Formulierungen wie etwa im Fall Friedrich Ludwig Sigismund Balckows (S. 37: „hat hinreichende Kenntniß, nur ist etwas mehr Fleiß zu wünschen“), doch macht Straubel gerade bei diesen, den einzelnen Biogrammen Anschaulichkeit verleihenden Passagen immer wieder deutlich, wie stark die Beurteilung einer Person von verschiedenen Umständen abhängig war bzw. wie widersprüchlich sie sein konnte, so etwa wenn Carl Wilhelm Dietrich (S. 210-211) für die einen „nicht zuverlässig“ war und einen „Hang zu Bequemlichkeit“ hatte, während er für jemand anderen wenige Jahre später „einer der vorzüglichsten“ Räte war.
Die Orientierung im zweispaltigen, gedrängten Seitenspiegel des Handbuchs sowie in jedem einzelnen biographischen Artikel wird dadurch erleichtert, daß neben dem Namen der behandelten Person die das Biogramm strukturierenden Angaben vor den jeweils spezifischen Angaben durch Dickdruck hervorgehoben sind (geb., Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Großvater, Großmutter, Schule, Studium, Laufbahn, heiratete, Frau, Kinder, Sohn, Enkel, Neffen etc.).
Am Ende eines jeden Biogramms verweist Straubel auf die „Quellen“, denen er seine Angaben entnommen hat, ausgehend von den jeweiligen Archivsignaturen für die ungedruckten Quellen über zeitgenössische gedruckte Quellen zu Editionen und neuerer Literatur (bis 2009). Die Belege sowie das Quellenverzeichnis am Ende des zweiten Teilbandes (S. 1161-1164) veranschaulichen in beeindruckender Weise, auf was für einer umfassenden archivalischen Fundierung das Handbuch ruht. Sind am Ende des einzelnen Biogramms noch die jeweiligen Einzelakten aufgeführt – was dem Benutzer die gezielte Vertiefung der gedruckt gebotenen Informationen ermöglicht –, so wird im Quellenverzeichnis, wohl aus Platzgründen, auf den Nachweis der mehreren tausend von Straubel konsultierten Einzelakten verzichtet und stattdessen eine Liste der benutzen Archivbestände abgedruckt, die allein vier Seiten umfasst.
Dass Straubel angesichts der von ihm in der Einleitung problematisierten Lücken und Disparität der Überlieferung darauf verzichtet hat, aus den Biogrammen nach Behörden und Funktionen der Beamten geordnete Listen zu erstellen, ist zwar bedauerlich, aber doch nachvollziehbar. Völlig unverständlich hingegen ist, warum dem verdienstvollen Handbuch sowohl ein Personen- als auch ein geographisches Register fehlen, denn in den etwa 3500 Biogrammen der Beamten wird wohleine sechsstellige Zahl von weiteren Personen genannt und werden zahlreiche Informationen geboten, auf die der Benutzer ohne Register keinerlei Zugriff hat. Darüber hinaus verhindert das Fehlen der Register auch, dass das Handbuch gezielt unter strukturellen Fragen ausgewertet werden kann. Dies sei nur an einem Beispiel veranschaulicht: So werden etwa im Biogramm zu Heinrich Wilhelm Rudolph Ernst Freiherr von Grotthuss (S. 358) insgesamt zwölf Personen genannt (acht Männer und vier Frauen); würde ein Register etwa auch den in diesem Artikel erwähnten Prinzen Heinrich oder den kurmärkischen Steuerrat von Lindenau auflisten, könnte man über solche Einträge Patronageverhältnisse und Beziehungsnetzwerke nachzeichnen, die über die familiären Zusammenhänge hinausgehen. Die Aufnahme des in diesem Artikel erwähnten Ortes Posen in ein geographisches Register wiederum würde es dem an den dortigen Verhältnissen Interessierten ermöglichen, aus dem Handbuch für seine Fragestellung eine Liste der Inhaber der verschiedenen Ämter im Bereich der Kriegs- und Domänenkammer Posen zu erstellen.
Gerade angesichts der Fülle und der Qualität der von Rolf Straubel für das vorliegende Handbuch aus unzähligen ungedruckten Quellen erhobenen Daten ist das Fehlen der Register nur zutiefst zu bedauern und zu wünschen, dass es der Historischen Kommission zu Berlin und dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv sowie dem Verlag K. G. Saur, den drei Institutionen, die sich bereits um die Drucklegung des Handbuches verdient gemacht haben, gelingen möge, den beiden vorliegenden Teilbänden möglichst bald noch einen eigenen Registerband folgen zu lassen und so das Handbuch zu vollenden.
Eichstätt Dieter Grypa