StGB Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871. Historisch-synoptische Edition. 1871-2009, hg. v. Fuchs, Thomas, 3 Bände. lexetius.com, Mannheim 2010. 1-512, 513-1194, 1195-1994 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Mit der Edition von Fuchs liegt erstmals eine chronologisch geordnete Konkordanz für das Strafgesetzbuch für die Zeit von 1871 (1. 1. 1872 Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuchs) bis 2009 vor. Der Gesetzestext wird eingeleitet durch eine Liste der berücksichtigten Änderungsgesetze (Bd. I, S. 23ff.). Die Konkordanz geht jeweils von der aktuellen Gesetzesfassung aus und sortiert die Vorfassungen „zeitlich umgekehrt“, so dass die jüngere Fassung vor der älteren steht (S. 3). Diese Anordnung ist zwar gewöhnungsbedürftig – die BGB-Synopse im Rahmen des Staudinger-Kommentars (hg. v. T. Repgen, H. Schulte-Nölke u. H. W. Strätz; erstmals 1998, zuletzt für die Zeit bis 2005) geht hinsichtlich der Änderungen jeweils von der älteren Fassung aus –, ist jedoch in sich schlüssig und in gleicher Weise geeignet, die Normengeschichte zu verdeutlichen. Allerdings hätte die Synopse auf die Bestimmungen zurückgehen müssen, die der heutigen Norm entsprechen (z. B. hätte § 32 StGB in der heutigen Fassung auf § 53 StGB in der Fassung von 1871 zurückgeführt werden müssen). Im Übrigen fehlt zur Erschließung der Inhalte der einzelnen Fassungen des Strafgesetzbuchs ein Sachverzeichnis. Die Bestimmungen werden eingeleitet mit Angaben zur Geltungsdauer der jeweiligen Fassung und durch eine Synopse zu den vorherigen Fassungen (in kleinerem Druck) abgeschlossen. Bei der Synopse wird konsequent die jüngere Fassung links, die ältere Fassung rechts wiedergegeben: „Der kursive Text links wurde durch die Änderung hinzugefügt und der kursive Text rechts entfernt“ (S. 4).

 

Zu der Edition gehört der Editionsbericht von Fuchs, der unter dem Titel „Dichtung und Wahrheit. Beobachtungen eines Konsolidierens auf einer Zeitreise durch das Strafgesetzbuch“ (50 S.) unter http://delegibus.com/2010/3.pdf abrufbar ist. In diesem Aufsatz, der leider nicht Bestandteil der Edition ist, beschreibt Fuchs die zugrunde gelegte Editionsmethode. Fuchs erläutert zunächst die Technik der Änderungsgesetze und kommt dann zu den Bekanntmachungen des StGB von 1876, 1953, 1969, 1975, 1987 und 1998. Die Neubekanntmachung eines Gesetzes wird als Konsolidation bezeichnet. Darunter versteht man „die Veröffentlichung des Wortlauts eines – gegebenenfalls mehrfach geänderten – Gesetzes. Es handelt sich um eine sogenannte informative oder deklaratorische Konsolidierung, d. h. um die deklaratorische Feststellung des Gesetzestextes durch den zuständigen Fachminister auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung“ (Wolfgang Kunz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 8 ). Für die Bekanntmachungen von 1953, 1969 und 1975 arbeitet Fuchs das freie Einarbeiten von Wortlautüberlagerungen und „willkürliches Überarbeiten“ detailliert heraus. So wurde in zehn Bestimmungen des StGB von 1953 das Wort „lebenslänglich“ in „lebenslang“ abgeändert, ohne dass – so Fuchs – dafür „eine andere Grundlage als ein gewisses Symmetriebedürfnis zu finden wäre“ (S. 19). Auch für die Bekanntmachung von 1969 stellt Fuchs mehrere „teils weitgehende“ sprachliche „Glättungen“ fest (S. 25f.; z. B. „desgleichen“ statt „ingleichen“; „ist anzuwenden“ statt „leidet Anwendung“). Solche Glättungen führen dazu, dass die historische Herkunft von Normen unkenntlich gemacht wird. Mit Recht stellt Fuchs fest, dass an das „ wissenschaftliche Konsolidieren von Gesetzestexten“ hohe Anforderungen zu stellen seien (S. 41) und dass sich das Bundesjustizministerium bei den amtlichen Bekanntmachungen erhebliche Freiheiten genommen habe. Wieweit dieses Vorgehen dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gebot der Normenklarheit entspricht, ist nicht nur eine Frage des geltenden Verfassungsrechts, sondern auch eine Problematik, die den Rechtshistoriker zumindest für die früheren Gesetzeskonsolidierungen beschäftigen sollte. Insgesamt hat Fuchs im Zusammenhang mit seinem minutiösen Editionsbericht eine StGB-Synopse für den Zeitraum von fast 140 Jahren vorgelegt, die, von den aufgezeigten Einschränkungen abgesehen,  auch für den Strafrechtshistoriker von großem Nutzen sein dürfte.

 

Kiel

Werner Schubert