Senn, Marcel/Gschwend, Lukas/Pahud de Mortanges, René unter Mitwirkung von Fenner, Timo, Rechtsgeschichte auf kulturgeschichtlicher Grundlage (= Litera B), 3. Aufl. Schulthess, Zürich 2009. XXX, 394 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Durch den Menschen wird zwar noch kaum das Universum, aber doch bereits deutlich die Erde verändert. Dieser Vorgang vollzieht sich nicht nur sachlich-körperlich, sondern auch gedanklich-ideell. Für das Recht bedeutet dies einerseits eine allmähliche allgemeine Verrechtlichung des menschlichen Lebens und andererseits einen Wettbewerb um das bestmögliche Recht, wie er insbesondere in Europa seit den europäischen Gemeinschaften im Nebeneinander vieler mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen und eines allmählich entstehenden, durch die einzelstaatliche Souveränität misstrauisch verfolgten und eifersüchtig zurückgehaltenen europäischen Rechtes erfolgt.
Wie der gemeinsame Markt und die gemeinsame Münze gezeigt haben, kann die Gemeinsamkeit durchaus vorteilhaft sein. Deswegen erscheint auch die gemeinsame Bildung ein der Anstrengung wertes Ziel. Dieses ist im Jahre 1999 von 29 europäischen Bildungsministern in einer im italienischen, für die Rechtswissenschaft seit dem 12. Jahrhundert bedeutsamen Bologna unterzeichneten, völkerrechtlich nicht verbindlichen Erklärung ins Auge gefasst und im Blick auf das Jahr 2010 schrittweise in konkrete Gestalt umgesetzt worden.
Für die an Europa interessierte, aber gleichzeitig an den Vorzügen der Unabhängigkeit und Freiheit im Rahmen des Möglichen festhaltende Schweiz hat dies die Zustimmung zum Wechsel der juristischen Ausbildung vom Lizentiat zum Bachelor und Masterlehrgang mit sich gebracht. Zwar lehnen sich Studierende verschiedentlich gegen die damit einhergehende Verschulung und den Verlust bisheriger Freiheiten auf, doch fragt sich, ob der von anderer Seite gewünschte Prozess tatsächlich noch aufzuhalten ist. Jedenfalls haben die Verfasser für die Rechtsgeschichte die damit verbundenen Chancen bereits im Jahr 2006 aufgegriffen und gemeinsam in erster Auflage ihre Rechtsgeschichte auf kulturgeschichtlicher Grundlage vorgelegt, die der Einheit der Ausbildung (in) der Rechtsgeschichte an den schweizerischen Universitäten dienen soll.
Deren erste, keineswegs nur auf die Schweiz beschränkte Auflage war bereits nach kurzer Zeit vergriffen. Deswegen konnten die Verfasser die zweite, 2007 erschienene Auflage dazu nutzen, das Werk stellenweise zu berichtigen und Anregungen, die auch von Studierenden vorgetragen worden waren, aufzunehmen. Zwei Jahre später war bereits eine dritte Auflage möglich, die insbesondere Anregungen Andreas Thiers aufgreifen konnte, soweit ersichtlich aber den Grundcharakter des erfolgreichen Werkes nicht zu ändern brauchte, so dass sie im Umfang fast völlig, und im Gewicht sogar - wenn man der Deutschen Nationalbibliothek vertrauen kann - vollständig gleich geblieben ist.
Sie beginnt ihre insgesamt 12 Kapitel mit den germanischen Stammesrechten und dem Zerfall des römischen Reiches und führt über Reich und Kirche, Reichs-, Landes- und Grundherrschaftsrechte, Stadt- und Wirtschaftsrecht, Universitäten und Juristen, Reform und Rezeption, Territorialstaat und Absolutismus, Vernunftrecht und Aufklärung, Kodifikation und Rechtsanwendung, Recht und Revolution in Politik und Ökonomie sowie Recht im Spannungsfeld von Historismus, Positivismus und Naturalismus bis zu Recht und Unrecht im 20. Jahrhundert. Fragen ermöglichen dem Studierenden die Selbstvergewisserung, Literaturhinweise die selbständige Vertiefung. Möge das Ziel, das Nachdenken über unser Recht an Hand ausgewählter Grundthemen zu fördern, weiterhin gut gelingen.
Innsbruck Gerhard Köbler