Schroeder, Friedrich-Christian, Der Blitz als Mordinstrument. Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft. Anhang Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung. Duncker & Humblot, Berlin 2009. 68 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wie der durch zahlreiche bedeutende Werke zur Strafrechtsdogmatik allgemein und durch vorzügliche Edition und Rezension auch der Rechtsgeschichte bestens bekannte Verfasser zu Beginn seiner gelungenen Ausführungen darlegt, besteht die Rechtswissenschaft nicht nur in Thesen und Theorien zur Systematisierung und Auslegung der Gesetzgebung, sondern auch im Entwurf ausgeklügelter Fälle zum Beweis eigener Ideen und zur Widerlegung fremder Vorstellungen. Einer dieser unsterblichen Fälle ist das von Hugo Böhlau 1865 vorgeführte Geschehen, dass jemand bei einem heftigen Gewitter seinen Feind in einem Wald spazieren führt in der bestimmtesten Hoffnung, ein Blitz werde den Feind töten. An Hand eines solchen Falles will der Verfasser die Entwicklung der Strafrechtswissenschaft aufzeigen.

 

Dabei stellte er in 25 kurzen Abschnitten 35 berühmte Strafrechtswissenschaftler vor, unter deren Händen der Spaziergangsfall allmählich zu einem Erbonkelfall wird. Zweck der Darstellung ist die Schilderung, wie rastloser und kritischer Forschergeist immer neue Lösungen desselben Falles entwickelt hat. Zwar versagt sich der Verfasser selbst eine abschließende Lösung des Erbonkelfalls, lässt aber im klassischen Gewitterfall die Täterschaft fehlen, weil das Opfer nur zu einem eigenverantwortlichen Verhalten überredet wird.

 

Im Anhang betrachtet der Verfasser in Erweiterung eines 2003 vorgelegten Festschriftbeitrags die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung, die er im Gefolge der 1672 von Samuel Pufendorf eingeführten imputatio erstmals 1803 bei Ludwig Harscher von Almendingen im Sinne der äußeren Zurechnung des Factums findet. In sorgfältiger Gedankenführung erweist sich die moderne Lehre von der objektiven Zurechnung als Ergebnis langer geschichtlicher Entwicklung. Obwohl sie in der Mitte der achtziger Jahre in allen größeren Lehrbüchern und Kommentaren des deutschen Strafrechts anerkannt war, blieben das Ausmaß der Einordnung von Problemen in diese objektive Einordnung ebenso wie das innere System der objektiven Zurechnung und die Einordnung der einzelnen Probleme darin unterschiedlich, so dass insgesamt weder der Blitz als Mordinstrument noch die objektive Zuordnung in der Strafrechtswissenschaft bereits eine endgültige Lösung erreicht haben dürfte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler