I. Reske, Christoph, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51). Harrassowitz, Wiesbaden 2007. XXXI, 1090 S. Besprochen von Elmar Wadle.

II. Die kaiserlichen Druckprivilegien im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Verzeichnis der Akten vom Anfang des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des Deutschen Reichs (1806), mit Erläuterungen hg. v. Koppitz, Hans-Joachim (= Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München 75). Harrassowitz, Wiesbaden 2008. XXVII, 685 S. Besprochen von Elmar Wadle.

 

Wer sich mit der Geschichte des Buch- und Druckwesens im deutschen Sprachraum beschäftigt, kommt an den beiden hier vorzustellenden Bänden nicht vorbei; dies gilt selbstverständlich auch für jeden, der sich für die rechtshistorischen Aspekte dieser Forschungsbereiche interessiert.

 

Für den Zugang zum deutschen Buchdruck des 16. und des 17. Jahrhunderts hat Reske ein unverzichtbares Nachschlagewerk vorgelegt. Es basiert - wie der Untertitel anzeigt – auf dem von Josef Benzing in zwei Auflagen (1963 und 1982) publizierten Vorgängerlexikon und bietet unter Beibehaltung der gewohnten Darstellungsweise zuverlässige Informationen über die inzwischen erschienene Spezialliteratur. Wie Benzing orientiert sich auch Reske an dem Stichdatum 31. Dezember 1500. Es werden demnach auch jene Buchdrucker vorgestellt, die schon früher mit der Druckerei begonnen und nach dem Stichtag weitergearbeitet haben; ältere Buchdrucker, die - wie etwa Johannes Gutenberg (um 1400-1468) – bereits im 15. Jahrhundert gestorben sind, werden nicht erwähnt. Die Abgrenzung zum Buchwesen des 18. Jahrhunderts wird weniger rigide durchgehalten; auf diese Weise ist wenigstens ein Teil des Buchwesens des 18. Jahrhunderts erfasst. Er bleibt zu wünschen, dass  eines Tages ein Werk zur Verfügung steht, das mit gleicher Präzision über die ganze Geschichte des deutschen Buchdrucks im 18. Jahrhundert informiert; vorerst muss man sich mit der Darstellung von David L. Paisey (Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger 1701-1750, Wiesbaden 1988) oder anderen Hilfsmitteln zufrieden geben.

 

Das zweite Buch, das hier vorgestellt werden soll, bietet einen neuen Einblick in die Vergabepraxis der kaiserlichen Druckprivilegien. Dem Mainzer Germanisten und Buchwissenschaftler Koppitz und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, einen zentralen Aktenbestand des Reichshofrats in einer bisher unbekannten Weise zu präsentieren. Die Aktenserie „Impressorien“, die erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen worden ist, enthält einen Teilbereich jener Akten, die dem Bestand  „Gratialia et Feudalia“ des Reichshofrates zugeordnet sind. Die 80 Kartons umfassende Sammlung „Impressorien“ ist erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen worden; sie enthält ganz überwiegend Belege zu den bei der Erteilung von Privilegien üblichen Verfahren, gelegentlich auch Akten von Anfechtungs- oder Aufhebungsverfahren, die bereits erteilte Privilegien betreffen.

 

Die Einzelakten sind alphabetisch nach dem Namen des Antragstellers geordnet und vielfach zu Konvoluten zusammengefasst. Alle Akten sind sehr präzise beschrieben und durch zahlreiche Register (Drucker – Buchhändler, Verleger, auch Handelsleute und Geldgeber – Autoren, Herausgeber, Übersetzer, Kartographen – Anonyme Werke – Künstler – Musiker – Institutionen – Buchbinder) gut zu erschließen. Die Probleme, die durch die unterschiedliche Schreibweise der Namen entstehen, sind mit Hilfe der Register zu meistern. Das bislang im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zur Verfügung stehende handgeschriebene Repertorium, das nicht immer genau und überdies unübersichtlich ist, dürfte in Zukunft als Suchhilfe ausgedient haben.

 

Das neue Verzeichnis ist ohne Zweifel ein beachtenswerter Fortschritt in der genaueren Erforschung der kaiserlichen Druckprivilegien und ihrer Geschichte. Man darf allerdings nicht vergessen, dass neben diesem zentralen Archivbestand noch andere Überlieferungen beachtet werden müssen, wenn es um „privilegia impressoria“ geht. Der Herausgeber des neuen Verzeichnisses hat dies nicht übersehen: er verweist vor allem auf die vielen Privilegien, die in den  Büchern selbst abgedruckt oder dort wenigstens durch einen gedruckten Hinweis vermerkt sind. Darüber hinaus muss man – worauf Koppitz hinweist - auch die Akten anderer Behörden beachten, wie etwa jene der  Bücherkommission in Frankfurt und des Fiskalarchivs; es ist denkbar, dass sie  Hinweise auf Schutzprivilegien geben, die nicht in den „Impressorien“ erwähnt sind. Noch wichtiger dürften die in der Sammlung „Judicialia“ zusammengestellten Prozessakten sein, deren genauere Erschließung durch die Akademien in Göttingen und Wien in Angriff genommen worden ist.[1]1 Auch hier ist denkbar, dass in diesen oft sehr umfänglichen Dossiers auch Druckprivilegien zu finden sind, die nicht zugleich im Bestand „Impressoria“ dokumentiert sind. Man muss davon ausgehen, dass es noch weitere Bestände im Haus-, Hof- und Staatsarchiv gibt, in denen man Neues über die Druckprivilegien finden kann.

 

Bedenkt man solche Aspekte, so wird man festhalten dürfen, dass der Titel des besprochenen Buches über seinen Inhalt hinausweist. Es bleibt als Trost: Im Bestand „Impressorien“ dürften höchst wahrscheinlich die meisten „kaiserlichen Druckprivilegien“ zu finden sein.

 

Ein weiterer Gesichtspunkt ist zu bedenken: die Bezeichnung „kaiserliche Druckprivilegien“ bedarf einer genaueren Bestimmung. Auch der Herausgeber des Werkes weiß dies, denn im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass der gewählte Sammelbegriff „Druckprivileg“ den Inhalt oder den Umfang des gewährten Schutzes noch nicht eindeutig festlegt. Ein Privileg kann Rechtspositionen unterschiedlichen Zuschnitts begründen: Es kann primär eine generelle Druckerlaubnis gewähren, es kann aber (auch) die Bestätigung einer vorgeschalteten Zensur dokumentieren oder schon den Schutz gegen Nachdruck meinen, der später im Vordergrund steht. In der Zeit vor der Etablierung des Reichshofrats standen Zensur und Gewerbebefugnis, mithin die Existenz  des Druckers oder Buchführers an erster Stelle. Später verschwindet das Mit- oder Nebeneinander von Druckerlaubnis und Inhaltskontrolle nicht völlig aus den Druckprivilegien; der Schutz gegen den Nachdruck rückt allerdings stärker in den Vordergrund und wird bald zum dominierenden Inhalt.[2]

 

Saarbrücken                                                                           Elmar Wadle



[1] Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats (RHR) Serie 1: Alte Prager Akten Bd. 1: A – D, hg. v. Wolfgang Sellert, bearbeitet von Eva Ortlieb, Berlin 2009; Serie II: Antiqua Bd. 1 Karton 1 – 43, hg. v. Wolfgang Sellert, bearbeitet von Ursula Machoczek, voraussichtlich Berlin 2010. Ein erster Ansatz zur Auswertung der „Judicialia“ bei: E. Wadle, Privilegia Impressoria vor dem Reichshofrat, in: L. Auer, W. Ogris, E. Ortlieb (Hrsg.) Höchstgerichte in Europa. Bausteine frühneuzeitlicher Rechtsordnungen (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich Bd.53), S. 203 – 213.  

[2] Dazu Näheres dazu bei: L. Giesecke, Vom Privileg zum Urheberrecht, Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen/Baden-Baden 1995, S. 39 ff.; jetzt auch: E. Wadle, Würzburger Privilegien für Drucke des Georg Reyser, in: I. Kroppenberg/M. Löhnig/D. Schwab (Hrsg.), Recht – Religion – Verfassung, Festschrift für Hans-Jürgen Becker zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2009, S. 265-276, bes. S. 274 ff.