Preuß, Hugo,
Gesammelte Schriften, Band 2 Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie im
Kaiserreich, hg. und eingel. v. Schefold, Dian in Zusammenarbeit mit Müller,
Christoph. Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. X, 891 S.. Besprochen von Ralf
Lunau.
In der auf insgesamt fünf Bände angelegten Ausgabe der gesammelten Schriften von Hugo Preuß ist nunmehr nach dem ersten und dem vierten auch der zweite Band erschienen. Und obwohl der thematische Schwerpunkt „Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie im Kaiserreich“ zunächst eher ein Buch ausschließlich für rechtshistorisch Interessierte vermuten lassen kann, erweisen sich die darin abgedruckten größeren und kleineren Arbeiten als Lektüre voller Anregungen für das Verständnis heute bestehender struktureller und normativer Gegebenheiten und aktueller Auseinandersetzungen darum. Es ist geradezu überraschend, mit welcher modernen Sprache Preuß fachlich luzide und bisweilen essayistisch frech Argumentationen zu Problemstellungen von großer Aktualität entwickelt. Die Darlegungen zur Transparenz des Systems der Reichs- und Landesfinanzen aus dem Jahre 1894 (S. 471) beispielsweise können die auch in der Gegenwart regelmäßig wiederkehrende Diskussion um die Verteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Kommunen bereichern. Ebensowenig hat die Philippika wider den exzessiven Gebrauch der Kommunalaufsicht durch staatliche Behörden und für eine starke Selbstverwaltung (S. 716) an ihrer Eindringlichkeit eingebüßt. Der spannende Stil des Autors, politische Entwicklungen der Entstehungszeit zu beschreiben und zu kommentieren, lässt über die wissenschaftliche Ebene seiner Betrachtungen hinaus ein atmosphärisch dichtes Bild des Kaiserreichs entstehen, das einen eigenen historiographischen Wert besitzt.
Die in diesem Band versammelten Beiträge stammen aus dem Zeitraum zwischen 1885 und 1917 und sind vom Herausgeber thematisch vier Abteilungen zugeordnet: Erste Abteilung: Theoretische Grundlagen, Zweite Abteilung: Einzelfragen des Völker-, Staats- und Verwaltungsrechts, Dritte Abteilung: Zur Verwaltungsreform und Vierte Abteilung: Kleinere Rezensionen. Diese Einteilung scheint im Einzelfall nicht geboten, da Preuß die Schwerpunkte seiner Arbeit in fast allen seinen Schriften unabhängig von deren Anlass, Form oder engeren Thema angesprochen und weiterentwickelt hat. Als sehr viel hilfreicher für eine Übersicht über die Fülle des Materials erweist sich die ausgesprochen instruktive Einleitung des Herausgebers Dian Schefold. In ihr werden nicht nur die einzelnen Texte erläutert, sondern vor allem eben jene thematischen Schwerpunkte im Schaffen von Hugo Preuß verdeutlicht, der Zusammenhang mit biographischen Wegmarken, bedeutsamen historischen Ereignissen, aber vor allem den zeitgenössischen und aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen hergestellt.
Dieses
Bemühen um eine Hilfestellung zur inhaltlichen Erschließung der Texte ist
gepaart mit einem bemerkenswerten Aufwand des Herausgebers um die Erleichterung
der wissenschaftlichen Arbeit mit den Texten. Schon die Einleitung ist mit -
praktischerweise nicht ans Ende des Buches verbannten - Fußnoten versehen, die
auf Preuß’ Beiträge in diesem und anderen Bänden dieser Ausgabe,
Beiträge anderer Autoren in der zeitgenössischen und heutigen Literatur über Preuß
und seine Arbeiten verweisen. Die Abdrucke der in diesem Band gesammelten
Schriften enthalten zum einen den vollständigen Fußnotenapparat der Originale
und zum anderen die Seitenangaben der ursprünglichen Drucke, was die Konkordanz
zu den Originalen herstellt und die gleichzeitige Nutzung von Literatur der
Entstehungszeit wesentlich erleichtert. Ergänzend hierzu stehen im Anhang neben
einer Inhaltsübersicht für die anderen Bände dieser Ausgabe, einem Namens- und
einem Sachverzeichnis vor allem mit erkennbarer Liebe zum Detail
zusammengestellte Erläuterungen zu historischen Ereignissen, biographischen
Daten genannter Personen, termini
technici, lateinischen Wendungen u. a. zur Verfügung. Diese Erläuterungen
dürften vor allem den unterschiedlichen Ansprüchen eher historisch oder
juristisch geschulter Nutzer sehr entgegenkommen. Eine solche spürbare
Aufmerksamkeit des Herausgebers ist auch anderen historischen Texten bei ihrer
Wiederentdeckung zu wünschen.
Dresden Ralf Lunau