Postel, Verena, Arbeit und
Willensfreiheit im Mittelalter (= Vierteljahrschrift für Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 207). Steiner, Stuttgart 2009. 189 S., Kart.
Besprochen von Gerhard Köbler.
Die am Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Universität Marburg im Bereich mittelalterliche Geschichte und Lichtbildarchiv tätige Verfasserin geht der Frage nach, welche Konsequenzen die verschiedenen theologisch-philosophischen Positionen in der Gnadenlehre für die Bewertung von Arbeit und Leistung des Menschen im Diesseits hatten. Zu diesem Zweck befasst sie sich in chronologischer Reihenfolge mit (verschiedenen Schriften von) Augustin (354-430) und Ambrosius (339-397), Cassian von Marseille (um 360-430/435), Fulgentius von Ruspe (462/463 oder 467/468-527 oder 532) und Caesarius von Arles (um 470-542), Hrabanus Maurus (780-856), Lupus von Ferrières (805-862), Hinkmar von Reims († 882) und Johannes Scotus Eriugena (810-877), Rather von Verona (887-974), Petrus Abaelard (1079-1142), Johannes von Salisbury (1151/1120!-1180) und Thomas von Aquin (1125-1274). Auf dieser Grundlage soll eine Antwort darauf geliefert werden, ob Gott das Heil unabhängig von der Leistung der Menschen im Diesseits allein auf Grund seiner Gnade vergab oder ob die Menschen zum ewigen Leben auch durch eigene Leistung beitragen konnten.
Im Ergebnis stellt die Verfasserin in ihrer mentalitätsgeschichtlichen Studie gegenüber der bisherigen Forschung fest, dass Arbeit im Mittelalter durchgehend auch als gottgefällige Bestätigung der Willensfreiheit des Menschen gesehen wurde. Allerdings setzten die einzelnen betrachteten Autoren innerhalb des Rahmens der Bejahung der menschlichen Willensfreiheit und der daraus entnommenen Verdienstethik doch auch unterschiedliche Akzente, die bereits in der Spätantike erkennbar sind. Bei Thomas von Aquin setzt sich, nach Ansicht der Verfasserin vielleicht begünstigt durch klimatische Bedingungen, demographisches Wachstum, Entfaltung von Handel und Stadt und zunehmender Arbeitsteilung, die Überzeugung durch, dass Arbeit Betätigungsfeld eines freien rationalen Willens ist, dessen Orientierung am Guten Gott vorbereitet, die aber vom Menschen durch bewusste und gewollte Zustimmung bestätigt werden muss.
Innsbruck Gerhard Köbler