Murauer, Rainer, Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 52). Böhlau, Wien 2009. 210 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Othmar Hageneder betreute, im Jahre 2000 an der Universität Wien approbierte und danach auf den neusten Stand gebrachte geschichtswissenschaftliche Dissertation des Verfassers. Mit Gerhard Dilcher stellt der Verfasser sich die Frage, ob die allgemeine Mediävistik nicht die Aufgaben der mittelalterlichen Rechtsgeschichte mit übernehmen soll, weil sich die Mehrzahl der Rechtshistoriker heute der neueren und neusten Rechtsgeschichte, insbesondere auch der juristischen Zeitgeschichte widme. Dessenungeachtet verdienen die dabei erzielten Ergebnisse wegen der Bedeutung der geistlichen Gerichte für die allgemeine Entwicklung der Gerichtsbarkeit auch die Aufmerksamkeit des Rechtsgermanisten.

 

Der Verfasser gliedert seine Untersuchung nach einer kurzen Einleitung in fünf Teile. In ihnen behandelt er die Rechtsstellung des Eigenbistums Gurk im 11. und 12. Jahrhundert, den Anteil Gurks am erzbischöflichen Gericht, die Delegationsgerichtsbarkeit des Papstes, das Gericht des Salzburger Erzbischofs in Gurker Angelegenheiten und die Methoden der gütlichen Streibeilegung in Vergleich und Schidesgericht. In zwei Exkursen geht er ausführlich auf den Streit zwischen dem Erzbischof von Salzburg und dem Gurker Domkapitel um die Besetzung des Gurker Bischofsstuhls zwischen 1180 und 1232 und den Streit um die Kirche  Sankt Lorenzen am Steinfeld ein.

 

Insgesamt stellt er im Ergebnis fest, dass termini technici des neuen römisch-kanonischen Prozessrechts schon in den ältesten erhaltenen Prozessurkunden der Diözese Gurk auftauchen, insbesondere in den Urkunden delegierter Richter des apostolischen Stuhles (1202, 1203, exceptio rei iudicatae 1161). 1203 lassen sich die Gurker Kanoniker durch einen advocatus vertreten, 1199 erscheint die amicabilis compositio, während Belege für die Benützung des Decretum Gratiani in von Gurker Prälaten ausgestellten Urkunden nicht entdeckt werden konnten. Zusammengenommen vermehrt die sorgfältige Untersuchung durchaus das konkrete Wissen um das frühe hochmittelalterliche Verfahrensrecht im Südosten in zahlreichen Hinsichten.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler