Metzger, Axel, Extra legem - intra ius. Allgemeine Rechtsgrundsätze im europäischen Privatrecht (= Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht). Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. XXVI, 622 S. Besprochen von Wolfgang Pöggeler.

 

Axel Metzgers Monographie entstand, gefördert durch Jürgen Basedow, am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Sie hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg im Wintersemester 2007/2008 als Habilitationsschrift vorgelegen. Cum grano salis kann man vielleicht sagen, dass sie in gewisser Weise an Josef Essers „Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts“ aus dem Jahr 1956 anknüpft, und damit an die Arbeit eines „Großen des Rechts“, wie Wolfgang Zöllner seinen Tübinger Fakultätskollegen einmal charakterisierte.

 

Metzgers Buch besteht aus fünf großen Teilen und beginnt mit einer allgemeinen Theorie der Rechtsgrundsätze. Es folgen das Europäische Privatrecht als Mehrebenensystem (im Vergleich zum us-amerikanischen System), sodann allgemeine Rechtsgrundsätze im Privatrecht der Mitgliedstaaten, im Gemeinschaftsprivatrecht, im Völkerrecht, im Einheitsrecht und in der lex mercatoria.

 

Warum soll man ein solches Buch über allgemeine Rechtsgrundsätze des europäischen Privatrechts schreiben? Der Autor nennt zwei Gründe. Der erste besteht darin, dass der Europäische Gerichtshof schon seit einem halben Jahrhundert auf von ihm „erkannte“ allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreift, um das Gemeinschaftsrecht zu ergänzen und auszulegen. Der zweite ergibt sich daraus, dass seit etwa 30 Jahren verschiedene internationale Arbeitsgruppen damit beschäftigt sind, rechtsvergleichend general principles des Privatrechts zu ermitteln; zu denken wäre hier an die Commission on European Contract Law und ihre „Principles of European Contract Law“, genauso wie jene Rechtswissenschaftler, welche die „UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts“ vorgelegt haben. Axel Metzger musste also das Rad nicht neu erfinden, um dieses Buch zu schreiben, sondern konnte sich auf einen schon seit Jahren aktiven rechtswissenschaftlichen Lavastrom beziehen.

 

Diesen Lavastrom in den Griff zu bekommen, ist aber kein leichtes Vorhaben. Denn allgemeine Rechtsgrundsätze werden selbst unter Fachgenossen ganz unterschiedlich definiert. Metzger fasst es so zusammen: „Allgemeine Rechtsgrundsätze sind ein vielgestaltiges Phänomen. Für manche sind sie die grundlegenden Gerechtigkeitsaussagen einer Rechtsordnung, für andere der Bestand international oder auf europäischer Ebene akzeptierter Grundsätze, für wieder andere ein überhistorischer Corpus an Grundsätzen, so wie er sich in den heute noch zitierten Maximen des römischen Rechts findet.“ Und weiter heißt es: „Im europäischen Privatrecht finden sich alle drei Erscheinungsformen auf allen drei Systemebenen. Im mitgliedstaatlichen, europäischen und internationalen Recht bemühen sich Gerichte und Wissenschaft, den eigenen autonomen Rechtsquellen allgemeine Grundsätze zu entnehmen. Sie greifen auf Elemente aus anderen Rechtsordnungen, von anderen Ebenen des Systems oder aus anderen Epochen zurück, um im Wege der Vergleichung übergreifende Prinzipien zu entwickeln und ihre Entscheidungen hieran auszurichten.“ - Metzger ergänzt diese Vielfalt unter anderem durch eine „prozedurale“ Theorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze. Danach ist der allgemeine Rechtsgrundsatz eine „Rechtsnorm, die von den internen, externen (insbesondere ausländischen) und/oder historischen Rechtsregeln im Wege der Induktion abgeleitet wird.“

 

In meinen Augen ist Metzgers Arbeit auch ein Beleg für die Sehnsucht der Juristen, selbst einmal den Zauberstab, den sonst nur der Gesetzgeber schwingt, in der Hand zu haben - jenen Zauberstab, mit dem man geltendes Recht produzieren kann. Das gelang zuletzt der Historischen Rechtsschule. Die Zukunft wird zeigen, ob die Lehre von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ähnlich erfolgreich werden kann. Metzgers Monographie würde dann ihren Beitrag dazu geleistet haben.

 

Es ist ein Vergnügen, diese Arbeit in die Hand zu nehmen. Das liegt daran, dass Metzger viele Probleme des Rechtsgebiets in einer sprachlich glänzenden Weise zusammenfasst. Außerdem handelt es sich um ein tadellos ausgestattetes Buch. Dieses Verdienst gebührt dem Verlag Mohr Siebeck, der im Übrigen auch schon das eingangs genannte Werk Josef Essers herausbrachte. Metzgers Monographie ist freilich eine rechtstheoretische Arbeit, keine rechtshistorische im engeren Sinne, weshalb ihre Besprechung hier abzubrechen hat.

 

Berlin                                                                                                             Wolfgang Pöggeler