Menk, Gerhard, Landesgeschichte, Archivwesen und Politik. Der hessische Landeshistoriker und Archivar Karl Ernst Demandt (1909-1990) (= Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg 21). Hessisches Staatarchiv Marburg, Marburg 2009. 224 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Karl Ernst Demandt wurde in Apia in der ehemaligen deutschen Kolonie Samoa am 6. April 1909 als Sohn des aus dem Siegerland stammenden Kakaopflanzers und Naturwissenschaftlers Ernst H. Demandt geboren, kam aber bereits 1911 krankheitshalber nach Deutschland zurück, wo er nach der Rückkehr der Mutter nach Samoa in der Pflegefamilie des Försters Eigenbrodt in Niedenstein aufgenommen wurde. 2009 wäre der nach Ansicht des Verfassers wohl bedeutendste Landeshistoriker Hessens der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg 100 Jahre alt geworden. Dies bot den Anlass für die Helmut Bickelhaupt in Anerkennung seiner Verdienste um die hessische Landesgeschichte gewidmete Studie, die auch dazu beitragen soll, die zögerlichen Bestrebungen zur Schaffung eines Lehrstuhls für die Landesgeschichte Hessens zu fördern, die bisher leider scheiterten.
Gegliedert ist das Werk in insgesamt sechs Abschnitte. Davon beschreibt die Einleitung Historiker, Archivare und die Historiographie im Allgemeinen und legt den Gegenstand und die dazu verfügbaren Quellen dar. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Jugend und Ausbildung in Lüdenscheid, wo Demandt im Frühjahr 1928 das Abitur ablegte, zum Studium von Germanistik und Geschichte zuerst nach Tübingen und im Wintersemester 1929/1930 in das politisch nach rechts tendierende Marburg ging. Hier wurde er 1933 von Friedrich Küch als dem Leiter des Staatsarchivs Marburg mit einer Dissertation über Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar im Mittelalter (1101-1499) mit der Note sehr gut promoviert.
Am 1. November 1933 trat er dem Ortsverband Marburg der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) bei, für die er sich im Einsatz nicht übertreffen ließ. Im Herbst 1934 begann er mit 16 anderen Teilnehmern den vierten Archivkurs an dem unter der Leitung Albert Brackmanns stehenden Institut für Archivwissenschaften am geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, nach dem er am 1. Januar 1936 eine Stelle im preußischen Archivdienst zunächst am Staatsarchiv Wiesbaden und dann am Staatsarchiv Marburg erhielt. 1938 beantragte er nach 1928 beendeter erster Mitgliedschaft die erneute Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, 1940 die Aufnahme in die Waffen-SS, wo er noch im Mai 1940 innerhalb der 3. SS-Panzerdivision Totenkopf während des Frankreichfeldzugs eingesetzt wurde (später Hauptscharführer).
Im Entnazifizierungsverfahren wurde Demandt 1948 letztlich als Mitläufer eingestuft. Zum 1. Januar 1949 konnte er mit Unterstützung Georg Wilhelm Santes an das Staatsarchiv Marburg zurückkehren. Hier wurde er durch mehrfache Abarbeitung der Vergangenheit vom zunächst Geächteten zum bald Geachteten, der bis hin zur Verleihung des Ehrendoktorats durch die juristische Fakultät der Universität Marburg (1982) mehrfache Ehrungen erfuhr.
Am Ende zieht der Verfasser unter Soll und Haben die Lebensbilanz eines Vertreters der problematischen Generation. Dem hellen Licht der zahlreichen Veröffentlichungen stellt er den weniger bekannten Schatten der uneingeschränkten politischen Hingabe an den Nationalsozialismus bis zum Ende des Dritten Reiches gegenüber. Dem Licht des großen hessischen Landeshistorikers dient auch das angefügte Werkverzeichnis mit 13 größeren Werken (Geschichte des Landes Hessen 1959, 2. Aufl. 1972, revidierter Nachdruck 1980), 16 kleineren selbständig erschienenen Abhandlungen, 71 Aufsätzen und 9 Beiträgen zu Sammelwerken.
Innsbruck Gerhard Köbler