Landau, Peter, Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts (= Ius Ecclesiasticum 92). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. VIII, 476 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wie Peter Landau (Berlin *26. 02. 1935), nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie in Berlin (Freie Universität), Freiburg im Breisgau, Bonn und New Haven/Connecticut (Yale University), der Bonner Dissertation über die Entstehung des kanonischen Infamiebegriffs (1964) und der Bonner Habilitation über das ius patronatus (1968) über Regensburg (1968) nach München (1987) berufen, in seinem kurzen Vorwort autobiographisch darlegt, berücksichtigte er nach der anfänglichen Konzentration auf die Geschichte des kanonischen Rechtes im Mittelalter schon in seinen Regensburger Vorlesungen über die Gebiete des geltenden Kirchenrechts und die Geschichte des Kirchenrechts zunehmend auch das evangelische Kirchenrecht und die Probleme des Verhältnisses von Staat und Kirche in Geschichte und Gegenwart und war darüber hinaus bemüht, sich in der Auseinandersetzung mit der Fundamentalkritik Rudolph Sohms an einem Recht in der Kirche einen eigenen Standpunkt in den Grundlagenfragen des Kirchenrechts zu erarbeiten. Von seinen in diesem Zusammenhang seit 1983 veröffentlichten Studien werden nunmehr 22 in einem stattlichen Sammelband vorgelegt. Er ist in vier Abschnitte gegliedert.
Der erste Abschnitt betrifft Grundlagen des Kirchenrechts und befasst sich mit dem Rechtsbegriff des Kirchenrechts in philosophisch-historischer Sicht, wobei der Verfasser das Kirchenrecht als zum Wesen der Kirche gehörig betrachtet, mit dem Begriff der Kirche aus juristischer Sicht, mit dem Gewohnheitsrecht im 19. und 20 Jahrhundert, in dessen Rahmen sich der Verfasser zur historischen Schule bekennt, sowie mit kritischen Anmerkungen zur Sicht der Kirchenrechtsgeschichte des vom Verfasser hoch geschätzten Hans Dombois (1907-1997). Der zweite Teil enthält Aufsätze zur frühneuzeitlichen Geschichte des evangelischen Kirchenrechts, dessen unterschiedliche Konzeptionen der Verfasser bei Benedict Carpzov, Justus Henning Böhmer und Johann Lorenz von Mosheim aufspürt und durch Toleranz und Pietät in der Geschichte Regensburgs abrundet. Im dritten Teil werden Kirchenrecht und Kirchenrechtswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert behandelt, wobei das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 den Ausgangspunkt bildet, Kirchenrechtszeitschriften und Kirchenrechtswissenschaft allgemein sowie Johann Wilhelm Bickell, Aemilius Ludwig Richter, Rudolf Sohm und Hans Dombois besonders betrachtet werden.
Der vierte Abschnitt widmet sich Grundsatzfragen des Verhältnisses von Staat und Kirche von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hier geht der Verfasser von Martin Luthers Obrigkeitsverständnis aus, verfolgt die Geschichte der Religionsfreiheit in Bayern, Österreich und Preußen, hebt die bedeutsame Rolle König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen hervor und sieht in dem heutigen deutschen Staatskirchenrecht, das er von der Weimarer Reichsverfassung bis zur Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt, eine erhaltenswerte Friedensordnung. Abgerundet wird der reiche, Hans Dombois gewidmete Band außer durch den Nachweis der Erstveröffentlichungen durch ein Personenregister und ein Sachregister, so dass die vielen neuen, bisher an verstreuten Stellen vorgelegten Einsichten der weiteren Forschung angenehm zugänglich sind.
Innsbruck Gerhard Köbler