Kreutz, Peter, Recht im Mittelalter. Grundzüge der älteren europäischen Rechtsgeschichte - Ein Studienbuch (= Einführungen: Rechtswissenschaft Band 10). LIT Verlag, Berlin 2010. IX, 148 S. Besprochen von Hiram Kümper.
Dieses Buch, das aus Erfahrungen der rechtshistorischen Lehre an der Universität Augsburg entstanden ist, möchte einen Überblick über die mittelalterliche Rechtsentwicklung geben, „der sich nicht – wie traditionell – auf eine nach neuzeitlich-nationalen Kriterien abgegrenzte Region konzentriert, sondern den (kontinental-)europäischen Rechtsraum als solchen in den Blick nimmt“ (S. I). Entsprechend steht die pan-europäische Tradition des Ius Commune im Mittelpunkt; es wird aber auch den byzantinischen Entwicklungen eine prominente Rolle zugewiesen. Letzteres betont Kreutz mehrfach und in der Tat ist das die eine Stärke, die man diesem Buch zugute halten muss. Zum Teil scheint der gute Wille etwas übertrieben, etwa wenn sich eines der längeren Unterkapitel (immerhin drei Seiten, S. 58-60) mit dem byzantinischen Ikonoklasmus befasst – ein Phänomen, dem seine religions- und vor allem politikgeschichtliche Bedeutung in keinem Fall abgesprochen werden kann, dessen rechtshistorische Relevanz aber doch eher gering scheint. Da auch kein Wort zu rechtlichen Implikationen fällt, dürften solche Exkurse Studierende eher verwirren. Und das kommt leider häufiger vor. Insgesamt wünscht man sich oft bei der Lektüre eine stärkere Rückbindung an im engeren Sinne rechts- oder verfassungshistorische Fragen. Neben der byzantinischen werden die spätantik-römische Rechtsgeschichte und die Entwicklung im früh- und hochmittelalterlichen Europa betrachtet. Auch hier steht das römische Recht absolut im Mittelpunkt; das Kirchenrecht erhält insgesamt nicht einmal vier Seiten (S. 111-114), das Spätmittelalter findet praktisch keine Berücksichtigung. Symptomatisch dafür mag beispielsweise der Umstand erscheinen, dass die sog. „Spiegelrechte“ – bekanntermaßen einsetzend mit dem Sachsenspiegel in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts – den ausblickartigen letzten Teil, ein Kapitel von nicht einmal zehn Seiten (!), einläutet. Wie viel Spätmittelalter da noch kommen kann, mag sich jeder ausrechnen. Diese wenigen Beispiele deuten schon an: es gibt ein gewisses Struktur- und Gewichtungsproblem, das gerade Studierende leicht verwirren könnte und einem Studienbuch wie diesem einen schweren Stand verschaffen dürfte, denn an deren Bedürfnissen müsste sich ein solches Buch insgesamt messen. In der Tat: der Band ist sehr kompakt und jargonfrei geschrieben. Auch der Preis ist für den studentischen Geldbeutel vergleichsweise kommod. Aber: keine Karten, Schaubilder, Diagramme, nicht einmal eine Illustration lockern die Bleiwüste auf. Die angegebenen Editionen sind z. T. nicht die einschlägigen, häufig uneinheitlich zitiert (die MGH bspw. durchweg als Sammelband, nicht als Reihe), außerdem eine nicht ganz nachvollziehbare Trennung zwischen „leges barbarorum“ und „fränkischen Rechten“ eingeführt – die konsequenterweise dazu führt, dass beispielsweise die Lex Saxonum unter beiden Kategorien (und damit insgesamt gleich dreimal!) aufgeführt wird. Das sind alles handwerkliche Kleinigkeiten, die nicht weiter ins Gewicht fielen, wären da nicht die mindestens ungewöhnlichen Gewichtungen im Inhalt, die wenigstens einer Begründung bedurft hätten. Insgesamt steht so sehr zu bezweifeln, ob dieser Band sein Zielpublikum wird erreichen können.
Bielefeld Hiram Kümper