Koritsch, Hans-Dieter, Die verspielte Chance. Wahrhaft unglaubliche Geschichten vom Scheitern einer gelobten Gesellschaft. PUV Pro Universitate Verlag GmbH, Berlin 2009. 141 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser ist ein in Dresden 1941 geborener, nach dem Studium in Leipzig und Dresden 1968 promovierter Mediziner, dem in der Deutschen Demokratischen Republik aus politischen Gründen eine Anstellung an einer Hochschule und eine Habilitation verweigert wurden, so dass er nach der Fachausbildung zum Arzt für Neurologie und Psychiatrie bis 1986 als Chefarzt an zwei sächsischen Landeskliniken arbeitete. Dort fragte der ärztliche Direktor bei der Einweihungsfeier der Station für alkoholkranke Frauen vor versammeltem Publikum „was ist Alkoholmissbrauch?“. Auf Grund eigener Erkenntnis bot er als Antwort: „Alkoholmissbrauch ist, wenn man den Alkohol wegschüttet, anstatt ihn zu trinken“.
Der Verfasser schildert derartige Geschehnisse als Zeitzeuge überwiegend auf der Grundlage seinerzeit aktuell angefertigter Unterlagen. Insgesamt gliedert er seinen Bericht dabei in acht Kapitel. Sie reichen von der Solidarität über das Heizwerk, die Zeitung, die Alkoholikerlüge, den Ausstieg, den Angriff und die dreifache Überraschung bis zu der abschließenden Frage Ende gut- alles gut?.
Im Mittelpunkt steht dabei das Engagement des Verfassers bei der stationären Behandlung Alkoholkranker in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, das an den Vorgaben und Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit scheiterte bzw. scheitern musste. Auf der Grundlage der ernüchternden persönlichen Erlebnisse wird eine allgemeine Systemkritik entwickelt. Sie ermöglicht auch nachträglich unmittelbare Einblicke des Außenstehenden in das Scheitern einer gelobten Gesellschaft an der ambivalenten Menschlichkeit des Menschen, wie sie überall und jederzeit am Wirken ist, wie sie aber in der Deutschen Demokratischen Republik in langen Jahren auf Grund verschiedenster Maßnahmen besonders enttäuschende Folgen zeitigte, für deren Darstellung am persönlichen Beispiel dem 1989 in den Westen wechselnden Verfasser uneingeschränkt zu danken ist.
Innsbruck Gerhard Köbler