Kobylec’kyj, Mykola, Mahdeburz’ke pravo v Ukrajini (XVI
– perša polovyna XIX st.). Istoryko-pravove doslidmennja. [Das Magdeburger
Recht in der Ukraine (vom ХІV. – bis zur ersten Hälfte des ХІХ. Jahrhunderts). Rechtshistorische Untersuchung]. Vydavnyctvo PAIS, L’viv 2008.
406 S. Besprochen von Inge Bily.
Vorliegende Monographie ist die inzwischen erfolgreich verteidigte Habilitationsschrift
Mykola Kobylec’kyjs. In 10 Kapiteln wird das Magdeburger Recht und seine
Anwendung in der Ukraine vom 14. – bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts analysiert. Der Autor greift ein überaus interessantes und sehr
aktuelles Thema der ukrainischen wie auch der internationalen Rechts- und
Siedlungsgeschichte auf und schließt damit eine Lücke, denn zum
Magdeburger Recht in der Ukraine liegen nur wenige Untersuchungen vor. So bleibt die vorhandene Literatur
zu diesem Thema überschaubar.[1]
Aktuell sind neben den Studien Mykola Kobylec’kyjs[2] vor
allem auch Ergebnisse der Forscherinnen Tetjana Hoško[3] und
Natalija Bilous[4] zu nennen.
Als Ziel
und Aufgabe seiner Arbeit formuliert Kobylec’kyj die Auswertung und Synthese rechtshistorischen
Wissens zur Entstehung des Magdeburger Rechts und seiner Verbreitung in der
Ukraine. Außerdem wird auf die wichtigsten Quellen eingegangen.
Die Bearbeitung beginnt mit der Darstellung von Historiographie und
Quellenbasis (Kapitel 1: S. 9-42). Anschließend
behandelt Kapitel 2
(S. 43-70) das Magdeburger Recht als europäisches Stadtrecht. Den Quellen
wendet sich dann Kapitel 3 (S. 71-118) zu. Auf Ausführungen zur Verbreitung des Magdeburger
Rechts in Ostmitteleuropa (Kapitel 4: S. 119-162) folgt die Vorstellung des Kulmer Rechts und des Neumarkter Rechts
(Kapitel 5:
S. 163-186).
Kapitel 6 (S. 187-258)
erläutert anschließend das System der städtischen Selbstverwaltung unter
Magdeburger Recht. Die nachfolgenden
Kapitel sind sowohl einzelnen Rechtsinstituten wie auch einer Reihe von
Besonderheiten bei der Rezeption des Magdeburger Rechts im
Untersuchungsgebiet vorbehalten. So behandelt Kapitel 7 (S. 259-278) Gericht und Gerichtsbarkeit in
ukrainischen Städten Magdeburger Rechts, Kapitel 8 (S. 279-310) dann die Besonderheiten der Anwendung dieses Rechts in den Dörfern
Galiziens. Die Rolle des Magdeburger Rechts als Quelle der Kodifikation des
ukrainischen Rechts beleuchtet Kapitel 9 (S. 311-344). Es folgen Ausführungen zum Magdeburger Recht während der
Zeit des Hetmanats sowie eine Beschreibung der Selbstverwaltung nach Magdeburger
Recht in der Stadt Kiew (Kapitel 10: S. 345-386). Den
Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 387-390),
gefolgt von diversen Verzeichnissen (S.
391-405).
Das Buch Kobylec’kyjs bietet eine
Synthese des Standes der Forschung zur Rezeption des Magdeburger Rechts in der
Ukraine. Beleuchtet wird die Rezeption dieses Rechts, einschließlich seiner
Anpassung an die Bedingungen der Städte und Dörfer des Rezeptionsgebiets, die
allmähliche Eingliederung in das ukrainische Stadtrecht und auch der
unmittelbare Einfluss auf die Kodifikation des ukrainischen Rechtes sowie die
Herausbildung einer Tradition der Selbstverwaltung städtischer wie auch
dörflicher Siedlungen im Untersuchungsgebiet. Das Magdeburger Recht gehört zu
den wichtigsten Quellen der Kodifikation des ukrainischen Rechts im 18. – bis zur ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Ihm wird nicht nur eine große Bedeutung bei der Vervollkommnung
der Selbstverwaltung beigemessen, sondern es gilt darüber hinaus auch als
Vermittler der Rezeption großer Teile des römischen Rechts, denn vom
Magdeburger Recht gingen bekanntlich wichtige Impulse für das Studium der
Arbeiten der Glossatoren des römischen Rechts aus. Insgesamt bildet die
Verleihung des Magdeburger Rechtes den Ausgangspunkt für eine Reihe von Entwicklungen,
die im Rezeptionsgebiet als Neuerungen in der städtischen Verwaltung gelten.
Die gründliche Auswertung der
einschlägigen Literatur zeigt sich in den Anmerkungen am Schluss eines jeden
Kapitels, wo die einheimische wie auch die internationale Literatur gut und
auch mit neueren Arbeiten vertreten ist. Leider hat der Band kein
zusammenfassendes Literaturverzeichnis, das dem Nutzer die Orientierung
wesentlich erleichtern würde. Auch fehlt der in ukrainischer Sprache verfassten
Monographie ein fremdsprachiges Resümee, ein Hindernis für den (besseren)
Zugang zu den Ergebnissen dieser gleichermaßen analytischen und synthetischen
Untersuchung. Gewünscht hätte man sich außerdem ein Verzeichnis der verwendeten
ukrainischen Rechtstermini mit ihrer Definition und möglichst auch der
deutschen und/oder zumindest polnischen Entsprechungen.
Der ansonsten ansprechend gestaltete
Band, zu vergleichen sind besonders auch die 17, z. T. farbigen Abbildungen,
die zwischen den Seiten 214-215 platziert sind, hätte durch Hervorhebungen im
Text, besonders der Rechtstermini wie auch der Namen wichtiger Rechtsdokumente,
Orte und historischer Personen an Attraktivität gewonnen.
Beim Umgang mit den aus Ortsnamen
abgeleiteten Adjektiven achtet M. Kobylec’kyj auf Durchsichtigkeit, denn er
nennt in seinem ukrainischen Text z. B. nicht nur die aus dem jeweiligen
polnischen, sondern auch die aus dem entsprechenden deutschen Namen abgeleitete
adjektivische Form, so z. B. ukrain. kul’mens’koe pravo ‘Kulmer Recht’
(zur deutschen Namensform Kulm) und parallel ukrain. chelmins’koe pravo
‘Kulmer Recht’ (zur polnischen Namensform Chełm) oder ukrain. novomarkts’koe
pravo ‘Neumarkter Recht’ (zur deutschen Namensform Neumarkt) und parallel
ukrain. šreds’koe pravo ‘Neumarkter Recht’ (zur polnischen Namensform Środa
Śląska). Diese besonders nutzerfreundliche Vorgehensweise lässt
Unsicherheiten oder Verwechslungen gar nicht erst entstehen, sondern sorgt für
eine sichere Identifizierung des jeweiligen Ortes und auch eines nach ihm
benannten Rechts(textes).
Leipzig Inge
Bily
[1] Vgl. zusammenfassend Lück, Heiner, Magdeburger Recht in der Ukraine. In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 12, 3/4 (1990), S. 113–126, mit weiterführender Literatur; Lück, Heiner, Das Denkmal des Magdeburger Rechts in Kiew. In: Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 12 (1990), S. 109–119.
[2] Kobylec’kyj, Mykola, Das magdeburgische Recht als Quelle des Kodex von 1743. In: Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Internationale und interdisziplinäre Konferenz in Leipzig vom 31. Oktober bis 2. November 2003, hg. v. Eichler, Ernst/ Lück, Heiner, (Ivs Saxonico-maideburgense in oriente. Das sächsisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas 1). Berlin 2008, S. 141–155.
[3] Hoško, Tetjana, Narysy z istoriji magdeburz’koho prava v Ukrajini (XVI–počatok XVII st.). [Zur Geschichte des Magdeburger Rechts in der Ukraine (16. – Anfang des 17. Jahrhunderts)]. L’viv 2002 (vgl. die Rezension von Inge Bily, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 125 (2008), S. 695–696).
[4] Bilous, Natalija, Kyjiv naprykinci XV – u peršij polovyni XVII stolittja. Mis’ka vlada i samovrjaduvannja [Kiew vom Ende des 15. bis zur 1. Hälfte des 17. Jh. Rat und städtische Selbstverwaltung]. Kyjiv 2008 (vgl. die Rezension von Inge Bily, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 127 (2010), S. 679–682); Bilous, Natalija, Vidnosyny kyjivs’koji mis’koji vlady z voėvodamy v 1559–1648 rr. Sproby obmežennja avtonomiji mis’koji hromady [Die Beziehungen des Kiewer städtischen Rates zu den Wojewoden in der Zeit von 1559-1648. Versuche der Einschränkung der Autonomie des städtischen Rates]. In: SOCIUM. Al’manach social’noji istoriji [Almanach der Sozialgeschichte] 7 (2007), S. 67–81.