Igel, Karsten, Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus. Stadtgestalt, Grundbesitz und Sozialstruktur im spätmittelalterlichen Greifswald (= Städteforschung, Reihe A Darstellungen 71). Böhlau, Köln 2010. 428 S., 64 Abb., 47 Pläne, 41 Tab., CD-ROM. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Untersuchung ist die von Dietrich W. Poeck im August 1998 an Hand des etwa die zweite Hälfte des 14. und die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts umspannenden Greifswalder Stadterbebuchs angeregte, im März 2002 in Osnabrück eingereichte und für den Druck unter Berücksichtigung der bis zum Frühjahr 2008 vorliegenden Literatur überarbeitete Dissertation des 1970 geborenen, als freischaffender Historiker tätigen, in Münster und Osnabrück lehrenden Verfassers. Sie gliedert sich in acht Abschnitte. In der Einleitung behandelt der Verfasser die Entwicklung Greifswalds, die zugehörige Literatur und seine Quellen, im sechsten Abschnitt fasst er seine knapp Erkenntnis zusammen.

 

Dazwischen behandelt er ausführlich den heute 217 Pergamentfolien mit den Außenmaßen 35,5 x 24,5 cm enthaltenden, überwiegend lateinischen, von acht Schreibern geschriebenen, mehr als 3700 Eintragungen enthaltenden Greifswalder liber hereditatum, der hauptsächlich über Kauf (70 Prozent der Eintragungen), Mitgift, Schenkung, Auflassung, Tausch, Erbteilungen, Testamente, Einwältigungen, Auflassung gegen Wortzins, Brandmauern und Glintmauern berichtet, Greifswald um 1400, Greifswalder um 1400 sowie Greifswalder (Ratsherren, Stadtschreiber, Budenmieter, Wollweber, Höker, Schuhmacher, Gewandschneider, Makler, Pferdehändler, Getreidehändler, Schiffer, Salzpfannenbesitzer, Bäcker, Knochenhauer, Textilverarbeiter, Lederverarbeiter, Pelzverarbeiter, Metallverarbeiter, Frächter, Bauhandwerker, Kleinkaufleute) und Greifswald um 1400. Dabei verknüpft er die im Stadterbebuch enthaltenen Vorgänge zu einem Netzwerk räumlicher und zeitlicher Dimension, in das er die verschiedenen Bauformen, die Sonderbauten und öffentlichen Gebäude sowie die Bewohner Greifswalds mit ihren Gewerben, städtischen Ämtern und verschiedenen sozialen Stellungen einbindet. Nicht ganz überraschend ermittelt er Beständigkeit und Wandel nebeneinander.

 

Einschränkend wirkt hauptsächlich der Anteil der Mieter von mehr als 50 Prozent an der Greifswalder Bevölkerung, weil die Quellen grundsätzlich nur Grundeigentum berücksichtigen. Als besonders wertvoll erweist sich die Nähe von Markt und Hafen und dabei besonders der östliche Bereich des Marktes sowie die Knopfstraße, die Büchstraße und die Fischstraße. Insgesamt gelingt dem Verfasser ein überzeugendes, durch zahlreiche Abbildungen, Pläne und Tabellen veranschaulichtes, mittels einer beigegebenen, umfangreiche Hausstättenbiographien umfassenden CD-ROM noch zu vertiefendes, wirtschaftsgeschichtlich und sozialgeschichtlich, aber auch rechtsgeschichtlich interessantes Bild der spätmittelalterlichen Gesellschaft Greifswalds, das ähnlichen Untersuchungen anderer Befunde als anregendes Vorbild dienen kann.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler