Heinsohn, Kirsten, Konservative Parteien in Deutschland 1912 bis 1933. Demokratisierung und Partizipation in geschlechterhistorischer Perspektive (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 155). Droste, Düsseldorf 2010. 310 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die 2006 in Hamburg vorgelegte Habilitationsschrift der in Hamburg 1995/1996 mit einer Dissertation über Politik und Geschlecht - zur politischen Kultur bürgerlicher Frauenvereine in Hamburg promovierten, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg beschäftigten Verfasserin, die seit 2006 auch in der Redaktion der feministischen Studien tätig ist. In ihr geht es darum, wie die gedachten Ordnungen der deutschen Frau und der deutschen Volksgemeinschaft entworfen und umgesetzt wurden. Im Mittelpunkt steht dabei die Deutschnationale Volkspartei.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in Einleitung, sieben Kapitel und eine Schlussbetrachtung. Den Beginn bildet die Kumulation konservativer Krisenerfahrungen im Jahre 1912, in dem die Bedeutung des Ringens der Parteien um Wählerstimmen bereits entscheidendes Gewicht erlangt hatte. Als Kristallisationspunkt konservativer Kritik erweist die Verfasserin dabei das Frauenstimmrecht, als dessen Kuckucksei die Vereinigung konservativer Frauen ermittelt wird.

 

Das dritte Kapitel stellt Frauen und Männer in der Deutschnationalen Volkspartei gegenüber. Gedachte Ordnungen sind die deutsche Frau als kollektive Identität und die Ordnung der Gesellschaft als Volksgemeinschaft, gemachte Ordnungen betreffen die deutsche Schule und die rechtliche Ordnung des Verhältnisses der Geschlechter. Im Anschluss hieran betrachtet die Verfasserin die innerparteiliche Entwicklung der Frauenausschüsse und den Strukturwandel der Deutschen Nationalen Volkspartei zur Führerpartei. Im Ergebnis erweist sie einleuchtend die bei den konservativen Parteien besonders deutliche „Remaskulinisierung“ des politischen Raumes auf der Suche nach einem Führer.

 

Als wichtigste Frauen treten dabei ins Bild Margarethe Behm (1860-1929), Paula Mueller-Otfried (1865-1946), die sich etwa als Reichstagsabgeordnete am 2. 9. 1921 zur Frage der Mitarbeit der Frau bei der Erneuerung unseres Volkes äußerte, Annagrete Lehmann (1877-1954) und Anna von Gierke (1874-1943). Zu Recht weist die Verfasserin am Ende darauf hin, dass das Jahr 1933 gerade deswegen einen bisher zu wenig berücksichtigten Bruch in der deutschen Parteiengeschichte bedeutete, weil die neue Staatspartei sich durch weibliche Mitglieder nicht politisch repräsentieren ließ. Fünf Anhänge kurzer Quellen der Jahre von 1918 bis 1928 und ein Personenregister von Helene Adams bis Fedor von Zobeltitz, das auch Otto von Gierke als Vater Anna von Gierkes einbezieht, runden die ansprechende Untersuchung ab.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler