Hartmann, Wilfried, Karl der Große (= Urban Taschenbuch 643). Kohlhammer, Stuttgart 2009. 333 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Als Große sind unter den zahllosen Menschen nur wenige ausgezeichnet, zu denen aus dem frühen Mittelalter der fränkische Arnulfinger, Pippinide und/oder Karolinger Karl zählt. Wesen und Wirken von Großen zu fassen und zu zeigen, ist stets eine besondere Herausforderung. Wilfried Hartmann, nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Politik in Tübingen und Göttingen und der Habilitation in Salzburg Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica in München und danach Professor in Mannheim, Regensburg und Tübingen hat diese Aufgabe eindrucksvoll gemeistert.
Seine in 16 Teile gegliederte Darstellung beginnt nach einem kritischen Überblick über die beschränkten Quellen und die umfangreiche Literatur mit der Herkunft Karls, für den Karl Martell und Pippin der Jüngere einen guten Grund gelegt hatten. Dessenungeachtet ist die Quellenlage für Geburt, Kindheit und Jugend des auf mehr als 1,90 Meter aufwachsenden Karl des Großen so dürftig, dass nicht einmal der Geburtstag wirklich gesichert ist, für den sich der Verfasser mit der neueren Forschung für den 2. April 748 entscheidet.
Im Anschluss hieran behandelt er die Teilung des Reiches bis zum Tode des Bruders Karlmann, die mindestens vier Frauen und mindestens vier Konkubinen, von denen Karl insgesamt mindestens 18 Kinder hatte, die Lebensführung und den Tod, für den Karl in einem Testament vorgesorgt hatte. Sachlich greift der Verfasser dann auf die Eroberungen in Italien, Spanien, Bayern und Sachsen samt der dafür nötigen Kriegsführung, die Herrschaft über das Reich (wirtschaftliche Grundlagen, Urkunden, Pfalzen, Struktur und Recht) und das Wirtschaftsleben aus. Ansprechend verwendet er viel Raum für Kirche, Bildung und Wissenschaft.
Der Erringung des Kaisertums folgt die Beschreibung des Verhältnisses des Frankenreichs zu England, dem Norden, den Slawen, Byzanz und dem Orient. Die von den Töchtern getrennten Söhne Karls, die Lage im Frankenreich und das Nachleben nehmen den chronologischen Faden wieder auf. Im Ergebnis ordnet der Verfasser Karl dem Großen auf dem Gebiet der Reichsverwaltung, der Kirchen- und der Bildungspolitik sowie durch das Kaisertum Traditionen zu, die bis in die Neuzeit nicht nur die unmittelbaren Nachfolgestaaten, sondern auch England, Skandinavien, Spanien, Süditalien, Polen, Böhmen und Ungarn prägten.
Gelegentlich kann man von der Einordnung einzelner Angaben in die Gesamtdarstellung überrascht werden. Immer aber geht die Darstellung von den überlieferten Gegebenheiten aus und zieht aus ihnen ansprechende Schlüsse. Stammtafeln (im sachlich nötigen Kleindruck), Abbildungen, Anmerkungen am Ende, Literaturhinweise und ein Personenregister runden das gelungene, lange nicht voranschreiten wollende, aber dann doch rasch abgeschlossene Werk vorteilhaft ab.
Innsbruck Gerhard
Köbler