Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), begründet von Stammler, Wolfgang/Erler, Adalbert/Kaufmann, Ekkehard, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, hg. v. Cordes, Albrecht/Lück, Heiner/Werkmüller, Dieter und Bertelsmeier-Kierst, Christa als philologischer Beraterin, Lieferung 11 (Gottesurteil-Handfeste). Erich Schmidt, Berlin 2010. 482-736 Spalten, 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das wichtige Unternehmen schreitet zügig voran. Das elfte Heft enthält knapp 80 Artikel, davon knapp 50 für den Buchstaben g. Dazu kommen noch verschiedene Hinweise.
Es beginnt mit dem Gottesurteil, für das Wolfgang Schild detaillierte Literaturhinweise in den Text einfügt und sehr ausführliche Literaturhinweise bietet. Nach ihm gab es Gottesurteile in allen Kulturen, freilich nicht immer unter Berufung auf eine Gottheit. Wenig später stellt er allerdings fest, dass sich, obwohl die Griechen und Italiker viel auf Orakel, Auspizien, göttliche Traumerscheinungen u. s. w. gaben, im Bereich des klassischen römischen Rechts keine Gottesurteile fanden und dass auch im islamischen Recht keine Gottesurteile vorgesehen sind, obwohl sie seit jeher im Volksleben verbreitet sind.
Danach befasst sich Ruth Schmidt-Wiegand, obgleich sie als sehr verdienstvolle philologische Beraterin ausgeschieden ist, mit Gottfried von Straßburg und bescheinigt ihm, dass er das Recht seiner Zeit bis in die Einzelheiten kannte. Eva Schumann berichtet über Göttingen, das hinter den Göttinger Sieben (Wolfgang Sellert) zurücktritt. Das göttliche Recht stellt Matthias Kaufmann von den lateinischen Kirchenvätern bis zu Kardinal Ratzinger dar und verhältnismäßig breiten Raum räumt Andreas Wacke dem Grab ein, Jesse L. Byock der Gragas.
Mit Graf und Grafschaft befasst sich mit ausführlichen Literaturangaben Werner Hechberger, mit der Grangie Enno Bünz. Hinter dem richtigerweise wohl in Volderwald geborenen Nikolaus Grass, zu dem kürzlich Gerhard Oberkofler einige eindrucksvolle wissenschaftshistorische Miniaturen aus Briefen und seine Korrespondenz mit dem Prager Juden Guido Kisch vorgelegt hat, folgt Gratian, den Peter Landau präzis und knapp unter Hinweis auf eine umfassende Bibliographie darstellt. Graz, das erst 1778 eine juristische Fakultät erhält, schildert Gernot Kocher auch als Geburtsort Franz von Zeillers.
Weitere kürzere Artikel betreffen Gregor VII. (Andreas Thier), Gregor IX. (Andreas Thier), Gregor von Tours (Adelheid Krah) und Greifswald (Dirk Alvermann). Ausführlicher behandelt Ilse Reiter die Grenze, die Dieter Werkmüller um den gleich gewichtigen Grenzstein und Bernd Schildt um den Grenzumgang ergänzen. Nach Griechenland (Michael Stathopoulos) werden die Brüder Grimm (Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand mit umfangreichen Literaturangaben), Groenbech (Martin Otto), Bartolomaeus Groicki (Danuta Janicka) und Karl Ludwig Wilhelm von Grolman (Barbara Dölemeyer) sowie Groningen und Grotius (Robert Feenstra) besprochen.
Nach Falk Hess als neuem Autor des Artikels Grundbuch kommt bei der Herausbildung des Grundbuchs dem Schreinswesen der Stadt Köln eine besondere Bedeutung zu. Danach sollen in der Sondergemeinde St. Martin seit 1235 Grundstücksgeschäfte auf Pergamentkarten verzeichnet worden sein, was von anderen rheinischen Städten wie Metz (1197) übernommen worden sei. Demgegenüber weist das Literaturverzeichnis ein Grundbuch des Kölner Judenviertels von 1135-1425 aus, das statt A. Kober einem A. Kobler zugeschrieben wird.
Bernhard Diestelkamp ordnet die Gründerleihe überzeugend als besondere Form der freien Erbleihe ein. Klar und präzis handelt Michael Stolleis das Grundgesetz ab. Um größtmögliche Klarheit über die verwickelte Grundherrschaft bemüht sich erfolgversprechend Werner Rösener, der von Jan Peters hinsichtlich der Gutsherrschaft unterstützt wird. Die Grundpfandrechte behandelt Stephan Dusil, die Grundrechte noch ohne Beziehung zu Europa Horst Dreier, die Grundrente Ignacio Czeguhn.
Die Lehre Fritz Kerns vom guten alten Recht sieht Johannes Liebrecht auf Grund seiner im Entstehen befindlichen jungen Rechtsgeschichte als überholt an. Den gesamten Gedankenreichtum des neuen Heftes an dieser Stelle vorzuführen, ist naturgemäß nicht möglich. Deswegen sei nur kurz auf weitere wichtigere Stichworte hingewiesen: Grundruhr (Albrecht Cordes), Grundstück (Falk Hess), Gubernium (Heiner Lück), Gulathingsbok und Gutalagh (Torgeir Landro), Gundling (Rolf Lieberwirth), Gürtel (Andrzej Gulczyński), gute Sitten (Nadia Al-Shamari-Ziegler), guter Glaube (Timan Repgen), Güteverfahren (Andreas Roth).
Der Buchstabe h beginnt ausführlich mit dem Haar (Ruth Schmidt-Wiegand), demgegenüber etwa der Habeas-Corpus-Act deutlich zurücktritt. Auch das Haberfeldtreiben hat einen festen Platz. Weitere Artikel betreffen etwa Habsburg (Wilhelm Brauneder), Haderbücher (Marita Blattmann), Hafen (Carsten Jahnke), Haftbefehl (Heinz Holzhauer), Haftung (Ina Ebert), Hagenrecht (Hans K. Schulze), Hagestolz (Ingrid Lemberg), Halberstadt, Halle an der Saale und Halle-Neumarkter Recht (Heiner Lück), Walter Hallstein (Michael Kilian), Halm (Ruth Schmidt-Wiegand), Halsgericht (Heiner Lück), Halsgerichtsordnung und Halslösung (Rolf Lieberwirth), das Hambacher Fest (Wolfgang Sellert), Hamburg (Tilman Repgen), den rechtsgeschichtlich vielleicht noch nicht vollständig aufgearbeiteten Hammer (Gernot Kocher), die Hand (Dagmar Hüpper), Hand und Mund (Ruth Schmidt-Wiegand), Hand wahre Hand (Werner Ogris), Handelsgesellschaften, bei deren neuer Ordnung nach Albrecht Cordes sich ein UnternehmensgesekkschaftsR eingeschlichen hat, das Handelsgesetzbuch, bei dem vielleicht die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von 1847 noch hätte berücksichtigt werden können, das Handelsrecht (Karl-Otto Scherner), die von uralten Anfängen bis zur Gegenwart reichenden Handelsverträge (Miloš Vec) und die Handfeste (Martin Armgart).
Insgesamt enthält das Heft zahlreiche neue Erkenntnisse. Die organisatorische Leistung des Gesamtunternehmens ist beeindruckend. Auch wenn vielleicht nicht alle Artikel bereits eine vollkommene Einheit bilden, bietet das Gesamtwerk doch den umfassendsten Überblick über die gegenwärtige deutsche Rechtsgeschichte.
Innsbruck Gerhard Köbler