Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, hg. v. Schmoeckel, Mathias/Schubert, Werner (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 12). Nomos, Baden-Baden 2009. 597 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Was eine europäische Rechtsgeschichte ausmacht, so schreiben die beiden Herausgeber des wichtigen Sammelbands in ihrem kurzen Vorwort, scheint vielen Spezialisten fraglich, weil es meist doch wieder nur bei national focussierten Darstellungen bleibe. Wähle man dagegen ein Detail, so erschließe sich nachdrücklich, wie stark Rechtsideen in ganz Europa und darüber hinaus wirkten, wobei es der Blick auf die Strukturen erleichtere, das Spezifische des Europäischen auszumachen. Beispielsweise zeige der Vergleich eines so traditionellen juristischen Berufsbildes wie das des Notars die Zusammengehörigkeit der nationalen Einzelentwicklungen in einem europäischen Gesamtrahmen, weil man etwa ohne ein Verständnis der Entwicklung in Oberitalien, die zur Ausbildung des gemeinrechtlichen „lateinischen“ Notariats geführt habe, die Entstehung des Notariats in ganz Europa bis zum 14. Jahrhundert nicht verstehen könne, und ohne Kenntnis des französischen Notariatsgesetzes vom 16. 3. 1803 die Einbeziehung großer Teile West-, Mittel- und Osteuropas nicht begreifen könne.
Aus diesem Grunde ist sehr verdienstvoll, dass die Herausgeber zur Erhellung der Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen in Bonn im September 2007 eine Konferenz zur Vorbereitung der Publikation durchführten, in deren Rahmen insgesamt 21 Referate vorgelegt wurden. Dies schloss es zwar aus, alle Territorien zu behandeln. Insgesamt zeigen die dort dargestellten Entwicklungen aber repräsentativ für die Länder europäischer Rechtstradition die Entwicklungen des Notariats vom Hohen Mittelalter bis zur Gegenwart auf.
Der bedeutende Gegenstand hat sicherlich einen sachkundigen Rezensenten verdient. Leider war dem Verlag die Lieferung eines Rezensionsexemplars für einen zur Besprechung bereiten Interessenten bisher nicht möglich. Deswegen muss der Herausgeber mittels einer Ausleihe mit wenigen Worten auf das wichtige, vom deutschen Notariat großzügig unterstützte Unternehmen hinweisen.
Die insgesamt 19 Beiträge beginnen mit Italien (Maria Gigliola di Renzo Villata, Orazio Condorelli) und führen über Frankreich (Franck Roumy), Spanien (Rafael Garcia Pérez), Deutschland (Werner Schubert), Österreich (Christian Neschwara), die Schweiz (Michele Luminati), die Niederlande (Sebastiaan Roes), Belgien (Fred Stevens), England (Nigel Ramsay), Schottland (John Finlay), Dänemark (Ditlev Tamm), Schweden und Finnland (Heikki Pihlajamäki), Norwegen (Hans Fredrik Marthinussen/Jørn Øyrehagen Sunde), Polen (Danuta Janicka), Russland (Martin Avenarius), Griechenland (Helen Saradi-Mendelovici) bis nach Nordamerika (Mathias Reiman) und Hispanoamerika (Thomas Duve). Ausgewählte Sachkenner führen dabei neben gemeinsamen Grundzügen auch vielfältige und neuartige Einzelheiten auf. Auf diese Weise gelingt es, die geschichtliche Entwicklung einer bedeutsamen Rechtseinrichtung von globalem Rang der gesamten Gegenwart nachdrücklich in Erinnerung zu rufen, so dass eine geplante Fortsetzung des Unterfangens nur nachdrücklich begrüßt werden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler