Die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, Teil 2 Die Berichte des Berliner Polizeipräsidenten über die sozialdemokratische Bewegung in Berlin während des Sozialistengesetzes 1878-1890, bearb. und eingel. v. Falk, Beatrice/Materna, Ingo (= Veröffentlichungen des brandenburgischen Landeshauptarchivs 57 = Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin Band 8, Teil 2). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2009. 721 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich teils revolutionär, teils evolutionär in Teilen Europas die Vorstellung durch, dass die Freiheit des Menschen gegenüber hergebrachten Unfreiheiten zum Wohle der Allgemeinheit verwirklicht werden müsse. Der Sieg des Liberalismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verursachte aber derart große gesellschaftliche Ungleichheiten, dass sozialistische Überlegungen entwickelt und verbreitet wurden. Von ihnen fühlten sich die bestimmenden Politiker des Deutschen Reiches bald derart bedroht, dass eine Stimmenmehrheit der konservativen und der meisten nationalliberalen Abgeordneten des Reichstags mit 221 gegen 149 Stimmen am 19. Oktober 1878 das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie mit 30 Bestimmungen verabschiedete, das sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Tätigkeit im Deutschen Reich außerhalb des Reichstags und der Landtage verbot und „die roten Reichsfeinde in einem Vernichtungskrieg ausschalten“ sollte.
Seine praktische Verwirklichung musste verwaltungsmäßig abgesichert werden. Dies geschah unter anderem durch Berichte von wichtigen Behördenleitern über die sozialdemokratische Bewegung. Von ihnen erschien bereits im Jahre 2005 ein erster Teil mit den Berichten der Regierungspräsidenten in den Regierungsbezirken Frankfurt an der Oder und in Potsdam. Dem schließt sich der schon angekündigte zweite Teil des Gesamtprojekts mit Berichten über die Hauptstadt Berlin an, der sich am Aufbau des ersten Teiles ausrichtet, aber als eigenständige Veröffentlichung behandelt wird.
Die Bearbeiter führen in ihrer Einleitung umsichtig in die gesamte Problematik ein und legen die von ihnen angewandten editorischen Grundsätze dar. Die insgesamt 48 Berichte des Berliner Polizeipräsidenten vom 8. Februar 1879 bis 10. November 1890 sind in chronologischer Ordnung im Wesentlichen ungekürzt abgedruckt und eröffnen dadurch einen umfassenden Einblick in die seinerzeitige politische Lage. Durch ein Personenregister, ein geographisches Register, ein Register der Druckschriften und ein Register der Organisationen wird die bedeutsame Edition über die besondere Härte der Anwendung des Sozialistengesetzes in Berlin und den letztlich gleichwohl erfolgreichen Widerstand der Betroffenen vorteilhaft erschlossen.
Innsbruck Gerhard Köbler