Dettmar, Juliane Sophia, Legalität und Opportunität im Strafprozess - Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1877 bis 1933 (= Juristische Zeitgeschichte 3, 30). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008. XVII, 333 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Gabriele Zwiehoff angeregte und betreute, vom nie zweifelnden Ehemann gestützte, im Wintersemester 2007/2008 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hagen angenommene Dissertation der am Lehrstuhl ihrer Doktormutter tätigen Verfasserin. Sie behandelt eine praktisch wichtige, interessante rechtspolitische Frage. Sie gliedert sich in drei Teile.

 

Im ersten Teil geht es um die Grundlagen. Hier stellt die Verfasserin Methoden und Fragestellungen, Forschungsstand und Darstellungsweise dar. Danach bietet sie eine historische Grundlegung, die vom Inquisitionsprozess über Frankreich als Vorbild bis zu der partikulargesetzlichen Reformgesetzgebung in Baden, Württemberg, Preußen, Hessen-Darmstadt, Rheinhessen, Nassau, Kurhessen, Bayern, Braunschweig, Österreich, die thüringischen Staaten, Hannover, Sachsen und Bremen bis Hamburg reicht und als Fazit ein polymorphes und durchaus verschwommenes Gesamtbild zeigt, das in den Grundideen freilich in die gleiche Richtung zielt.

 

Der zweite Teil betrifft die Entwicklung seit 1870, welche die Verfasserin in sechs Kapiteln sehr gründlich bis zur Notverordnung vom 6. Oktober 1931 verfolgt. In der zusammenfassenden Schlussbetrachtung geht die Verfasserin besonders auf die Entwicklung der Opportunitätsvorschriften ein, in deren Rahmen sie die Fälle absoluter Geringfügigkeit darstellt, die Absicherung der Verletzteninteressen hervorhebt und den Machtzuwachs der Staatsanwaltschaft betont. Den wissenschaftlichen Stellungnahmen in der Reformdiskussion und dem Einfluss der wissenschaftlichen Kritik auf die Reform folgen im Anhang die Entwurfs- und Gesetzesfassungen zu den Opportunitätsvorschriften, so dass die Arbeit insgesamt umfassend Material über das sich wandelnde Verhältnis von Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip im Strafprozess zwischen 1877 und 1933 bietet.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler