Das Medium Wissenschaftszeitschrift seit dem 19. Jahrhundert. Verwissenschaftlichung der Gesellschaft, Vergesellschaftung von Wissenschaft, hg. v. Stöckel, Sigrid/Lisner, Wiebke/Rüve, Gerlinde (= Wissenschaft, Politik und Gesellschaft 5). Steiner, Stuttgart 2009. 254 S., 11 Abb., 4 Tab., 10 Diagr. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern um 1450 wird die preiswerte Herstellung vieler Exemplare eines Textes möglich. Von den zentralen tradierten Werken aus werden von dieser Möglichkeit immer weitere geistige Erzeugnisse erfasst. Beispielsweise erscheinen juristische, zunächst noch buchähnliche Zeitschriften im Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert, in den meisten übrigen Staaten Europas im 19. Jahrhundert.
Insgesamt ist die wissenschaftliche Zeitschrift als die auf dem Gebiet der Wissenschaft im Verlauf der Zeit in Abständen veröffentlichte Druckschrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser eine wenig systematisch erforschte Mediensorte. Deswegen kann man es nur begrüßen, dass im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts Politik in britischen und deutschen medizinischen Fachzeitschriften von der Zwischenkriegszeit bis in die 1950er Jahre am 6. und 7. April 2006 an der Medizinischen Hochschule Hannover ein Workshop über das Genre Wissenschaftszeitschrift und die neuere Wissenschaftsgeschichte stattfand. Elf dort gehaltene Referate zehner am Ende kurz vorgestellter Autoren werden nunmehr der Öffentlichkeit durch Druck leicht zugänglich gemacht.
Zu Beginn führt Sigrid Stöckel dialektisch in die Verwissenschaftlichung der Gesellschaft und die Vergesellschaftung der Wissenschaft ein. Danach beleuchtet Martin Nissen den Entstehungskontext der Historischen Zeitschrift unter dem Zeichen der Wissenschaft für gebildete Kreise. Die übrigen Beiträge betreffen vor allem die Medizin (Deutsche Medizinische Wochenschrift, Münchener Medizinische Wochenschrift, British Medical Journal, The Lancet, Index Medicus), doch werden auch Landfrauenzeitschriften als Instrumente weiblicher Professionalisierung, landwirtschaftliche Zeitschriften als Medien der Verwissenschaftlichung der Landwirtschaft und der Vergesellschaftung der Agrarwissenschaften, Rechentechnik/Datenverarbeitung als Medium der Rationalisierungsdebatte in der DDR und die Wissenschaftskommunikation in Bild der Wissenschaft und Scientific American untersucht.
Insgesamt werden dabei zahlreiche neue Erkenntnisse für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit seit dem 19. Jahrhundert gewonnen. Als sehr hilfreich erweisen sich dabei der Vergleich der Zeitschrift mit anderen wissenschaftlichen Medien und der Blick auf andere Länder. Von hier aus wird die bedeutende Stellung, welche die Zeitschriften in der gesellschaftlichen Informationslandschaft bis zur Gegenwart gewonnen haben, gut verständlich, wobei die Rechtswissenschaft in diesem Vorgang keine führende Stellung einzunehmen scheint.
Innsbruck Gerhard Köbler