Cipolla, Tamara, Friedrich Karl von Strombeck Leben und Werk. Unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfes eines Strafgesetzbuches für ein Norddeutsches Staatsgebiet (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 4 Leben und Werk 13). De Gruyter, Berlin 2010. XVI, 249 S. Ill. Besprochen von Werner Schubert.
Friedrich Karl von Strombeck ist heute noch bekannt vor allem wegen seiner Werke zum französisch-westphälischen Recht und wegen seines Entwurfs eines Strafgesetzbuchs (1. Aufl. 1828; 2., „hin und wieder verbesserte Auflage“ von 1834 unter dem Titel: „Entwurf eines Strafgesetzbuches für Staatsgebiete des Deutschen Bundes). Strombeck entstammte einer adligen braunschweigischen Patrizierfamilie (Erwerb des Reichsadels 1800) und war nach dem Studium in Helmstedt und Göttingen 1795 in den Justizdienst des Herzogtums Braunschweig (Assessor am Hofgericht zu Wolfenbüttel) getreten. Von 1799-1810 führte er als Hof- und Abteirat die Geschäfte des Stiftes Gandersheim. Bereits 1808 wurde er in den Justizdienst des Königreichs Westphalen übernommen, wo er schnell Karriere machte (1808: Präsident des Tribunals erster Instanz in Einbeck; 1810 zweiter Präsident des Appellationsgerichtshofs zu Celle und 1813/1814 Staatsrat und Kassationsrichter in Kassel. Ferner war er von 1808 bis1810 Abgeordneter der westphälischen Reichsstände, die ihm die Leitung der Zivilgesetzgebungskommission übertrugen(, hier Beratungen der westphälischen Zivilprozessordnung). Wegen seiner exponierten Stellung in der Justiz des Königreichs Westphalen als „Kollaborateur“ verdächtigt (S. 72ff.) sah er sich erst rehabilitiert, als ihn die Fürstin Pauline zur Lippe zum Oberappellationsgerichtsrat am Oberappellationsgericht in Wolfenbüttel ernannte, das Braunschweig 1816 zusammen mit Lippe, Schaumburg-Lippe und Waldeck-Pyrmont begründet hatten und dessen Präsident Strombeck von 1843 bis 1847 war. Als führendes adeliges Mitglied der braunschweigischen Landstände (ab 1819) vertrat er konservative Positionen und beteiligte sich an der Überwindung der durch die Septemberrevolution 1831 ausgelöste Staatskrise.
Nach einer detaillierten Beschreibung des Lebens und Werks von Strombeck (S. 15-107) behandelt Cipolla ausführlich den StGB-Entwurf von 1829 (S. 113-219). Der Entwurf weist, auch wenn er auf den zeitgenössischen Entwürfen aufbaut, einige eigenständige Züge auf, war aber allein schon wegen seines Umfangs nicht auf der Höhe der Zeit (589 Artikel gegenüber 287 Bestimmungen im braunschweigischen Criminalgesetzbuch von 1840). In Übereinstimmung mit der Leopoldinischen Gesetzgebung lehnte Strombeck die Todesstrafe ab (S. 123ff.), die er allerdings durch den bürgerlichen Tod ersetzte (Art. 16). Ferner gewährte der Entwurf entgegen dem aufklärerisch-liberalen Strafideal dem Richter einen großen Ermessensspielraum nicht nur bei der Strafzumessung, sondern teilweise auch auf der Tatbestandsebene (S. 214ff.). Hinzu kommt noch die große Milde, die der Entwurf gegenüber dem Täter erkennen ließ, die aber nicht den Strafzwecken der damaligen Zeit entsprach (S. 216f.). Der Einfluss des Entwurfs auf das braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840 dürfte gering gewesen sein, ohne dass Cipolla dazu detailliertere Untersuchungen anstellt (S. 218).
Cipolla hat von der Zielsetzung ihres Werkes vornehmlich den StGB-Entwurf Strombecks und seinen Entwurf über den Indizienbeweis in Strafsachen erschlossen. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn sie im biographischen Teil die judizielle Tätigkeit Strombecks während der westphälischen Zeit einschließlich seiner Werke zum westphälischen Recht etwas detaillierter gekennzeichnet hätte. Der Entwurf Strombecks zu einer Ordnung für das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht von 1817/1818 und das darauf aufbauende Gesetz von 1835 ist leider nur knapp besprochen (S. 80ff.). Abgesehen von diesen offen gebliebenen Wünschen hat Cipolla eine zuverlässige Darstellung über das Leben und das strafrechtliche Werk Strombecks vorgelegt, der im Rahmen der partikularen Strafrechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts nicht ohne Bedeutung ist.
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Werner Schubert |