Brunner, Hilmar, Polizeigesetzgebung im Herzogtum Bayern 1508-1598 (= Rechtsgeschichtliche Studien 29). Kovač, Hamburg 2010. 525 S. (Diss. jur. Regensburg 2009). Besprochen von Christof Paulus.
Am 20. September 1581 ermahnte Herzog Wilhelm V. von Bayern seine Beamten in einem Münchner Mandat zu mehr Gewissenhaftigkeit und Einsatz bei der Umsetzung herzoglicher Anordnungen. Um den Druck zu erhöhen, wurde das landesfürstliche Schreiben öffentlich verlesen und angeschlagen. Dies weist auf Durchsetzungsdefizite hin, die sich dem „Vorrücken des Staates“ entgegenstellten. Die vorliegende rechtsgeschichtliche Dissertation hat es sich zum Ziel gesetzt, weitgehend aus Münchner Beständen die Polizeimandate aufzulisten und auszuwerten. So hat Hilmar Brunner seiner Arbeit eine rund 175-seitige systematische Analyse des Quellenbestands vorausgeschickt, an die sich eine wertvolle, regestenartige Zusammenstellung der zwischen 1478 und 1598 erlassenen Landgebote (969 Nummern) anschließt. Dazwischen finden sich eine Zeittafel und ein kurzes Glossar. Ein Register fehlt.
Die Landgebote verortet Brunner als wichtiges rechtsgeschichtliches Scharnier zwischen den spätmittelalterlichen Landfrieden und dem Inquisitionsprozess der frühen Neuzeit, ohne indes diese These ausführlicher zu erörtern (S. 12). Die Mandate werden einerseits nach ihrer Auflagenhöhe – dabei hatte der Münchner Drucker Andreas Schobser ein Monopol –, andererseits nach ihren Adressaten – herzogliche Beamte, andere Obrigkeiten – differenziert. Eine Auswertung erfolgt hierbei unter anderem nach den erhaltenen Hofzahlamtsrechnungen. In kurzen Biogrammen werden die bayerischen Herzöge des Untersuchungszeitraums – Albrecht IV., Wilhelm IV., Ludwig X., Albrecht V., Wilhelm V. – vorgestellt, worauf sich eine inhaltliche Einordnung der Polizeimandate anschließt. Hierbei wäre es sinnvoll gewesen, die Wahl des zeitlichen Korridors einer näheren Erläuterung zu unterziehen.
Die „Gesetzesflut des 16. Jahrhunderts“ (S. 175) betraf das Militärwesen, die Jagd, das Münzwesen, wirtschaftliche und finanzielle Aspekte wie den Fürkauf, Steuern oder den Wollexport, sozialdisziplinatorische Bereiche wie Kleiderordnungen (von Brunner im Kapitel Wirtschaftsförderung aufgeführt) oder das Zutrinken. Einen Schwerpunkt der Arbeit macht das Thema der „konfessionellen“ Polizeigesetzgebung aus, d. h. die Mandate der katholischen bayerischen Herzöge gegen Andersgläubige wie Lutheraner oder Wiedertäufer. Hierbei stützt sich die Arbeit hauptsächlich auf Handbuchartikel, was notgedrungen zu Verkürzungen führt. So wird etwa unter 1.6.3.1.1.1 (!) die „Theorie Luthers“ auf rund einer Seite umrissen, worunter eine Skizzierung der theologischen Prinzipien des Wittenbergers verstanden werden soll.
Finden sich in diesem darstellerischen Teil einige Ungenauigkeiten – so wurde die Universität Ingolstadt 1472, nicht 1572 gegründet (S. 21), Griechisches sollte richtig geschrieben (S. 63), die Primogeniturordnung nach der neuesten Ausgabe von Barbara Gebert (2002) zitiert werden (S. 29f.) – wird in der Regestenzusammenstellung ein deutlicher handwerklicher Mangel spürbar. Dies zeigt sich vor allem bei den „Archivsignaturen“. Was soll „London, Britisches Museum“ (S. 229), „Kreisarchiv Nürnberg“ (S. 251) oder „Lori II“ (S. 446) für eine Angabe sein? Die Bezeichnungen für Bestände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs wie der Bayerischen Staatsbibliothek variieren munter, mehrere Male fehlt eine Archivsignatur vollkommen. Zudem ähneln die Regesten zuweilen den Zusammenfassungen der Repertorien. Hierdurch bringt sich der Autor um den verdienten Lohn seiner wichtigen Arbeit, deren Bedeutung in der systematischen Zusammenstellung eines für viele historische Bereiche wichtigen Bestands liegt.
Seehausen am Staffelsee Christof Paulus