Braun, Johann, Kunstprozesse, 2. Aufl. Beck, München 2009. IX, 281 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Viele oder zumindest manche Juristen haben mehrere Seelen in ihrer Brust. Manche verdienen das notwendige Brot mit der spröderen Jurisprudenz, verfolgen aber ihre inneren Neigungen zur Kunst in vielfältigster und erfolgreichster Weise. Bekanntestes Beispiel hierfür ist vielleicht Johann Wolfgang Goethe, dem Hans Fehr allgemeine Analysen über das Verhältnis von Recht und Kunst (Das Recht im Bilde 1923, Das Recht im deutschen Volkslied 1926, das Recht in der Dichtung 1933) zur Seite gestellt hat, für die ihn Schüler und Weggefährten mit einer Festgabe über Kunst und Recht ehrten.
Johann Braun legte bereits 1995 13 Kunstprozesse von Menzel bis Beuys vor, die das Verhältnis von Kunst und Recht im Bereich des Verfahrensrechts exemplarisch beleuchten. Diese Darstellung ist auf so großes Interesse der Allgemeinheit gestoßen, dass eine zweite Auflage erforderlich wurde. Sie unterscheidet sich von der Vorgängerin durch Verzicht auf den Bacchantenzug, den Thoma-Salat und das vom Sitzen Besessen, durch Aktualisierung der verbliebenen zehn Fälle und durch Ergänzung um Noldes ungeliebte Kinder, eine ausgefallene Nummer, ein Ding aus Ming, ein wunderschönes Instrument, chercher la femme, Merda d’artista, Metaphysik der Unterschrift und den frisierten Menschenfresser, die überwiegend bereits an anderer Stelle veröffentlicht worden waren und in ihrer Summe den durch den ursprünglichen Titel beschriebenen, aus Gründen der Kontinuität gleichwohl beibehaltenen Rahmen des Titels bereits überschreiten.
Das erfolgreiche, auf die bildende Kunst ausgerichtete, aber von einem ehemaligen Bratscher um einen versteckten Platz für eine Bratsche zwischen den sonstigen Stühlen der Kunst erweiterte Werk beginnt demnach mit einer missglückten Schenkung Fräulein Margarete Krigar-Menzels vom Februar 1908 an die Bayerische Staatsgemäldesammlung in München. Sie endet mit dem Schalck im Nacken des Kunstsammlers Werner Schwarz aus Rathenow in der Deutschen Demokratischen Republik, über den das Unglück scheinbar unvorbereitet und aus heiterem Himmel am 8. Dezember 1981 in Gestalt einiger Herren im grauen Mantel kam. Hier und auch an allen Stellen ordnet der Verfasser die jeweiligen Gegebenheiten sachverständig und zugleich unterhaltsam in allgemeinere rechtliche Zusammenhänge ein und gewährt zugleich hervorragenden Einblick in die Einzelheiten, so dass der Leser beispielhaft mit nahezu allen wichtigen rechtlichen Fragen der Kunst vertraut gemacht wird, wodurch der kunstnahe Jurist bestens unterhalten und der kunstferne, vom Künstler nur zu gern als Kunstbanause eingestufte Jurist der dem Brot oft ferner stehenden Kunst näher gebracht werden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler