Baur, Sebastian, Vor vier Höllenrichtern … Die Lizentiats- und Doktorpromotionen an der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg. Lang, Frankfurt am Main 2009. 464 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wer sich über Heidelberger Promotionen unterrichten will, wird in Schlagwortregistern kaum hinter Höllenrichtern Promotionsgutachter vermuten. Dennoch hat sich Sebastian Baur für den Titel seiner von Klaus-Peter Schroeder angeregten und betreuten, im Juli 2008 von der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommenen Dissertation für die Verwendung dieses Aufmerksamkeit erweckenden Wortes entschieden. Seine eigenen Gutachter beurteilt er freilich als stets engagiert, freundlich, rundum angenehm, sorgfältig und rasch entscheidend, also eher als Himmel auf Erden.

 

Seine ausführliche Untersuchung gliedert er naheliegenderweise chronologisch. Deswegen setzt er bei den Anfängen akademischer Graduierung in Europa mit den Schulen neues Typs ein und behandelt auf der Suche nach einem Vorbild für das 1385 privilegierte Heidelberg Paris und Bologna. Binnen kurzer Zeit erwuchs aus deren Praxis die Vorstellung der Lizenz, allerorten lehren zu dürfen.

 

Der erste Heidelberger Abschnitt betrifft die Zeit von den Anfängen bis 1558, der zweite die Zeit bis zum pfälzischen Erbfolgekrieg von 1688 bis 1697, dem das achtzehnte, das neunzehnte und das 20. Jahrhundert folgen. Im Einzelnen werden jeweils die Voraussetzungen der Graduierung, deren Ablauf und Kosten, der Zusammenhang zwischen Grad und Lehramt, der Einfluss von Seuchen und Kriegen, die Missstände und die Frequenzen behandelt. Dabei gelingen dem Verfasser zahlreiche neue Einzelerkenntnisse.

 

Von allgemeinerer Bedeutung scheinen dabei die augenfälligen Missstände des 18. Jahrhunderts zu sein, in dem die Professoren kurfürstlichen Forderungen nach der Promotion unter Verzicht auf Prüfungsleistungen keinen Widerstand entgegensetzten. Seit 1805 war zwar die Dissertation „statuarisch“ als Prüfungsleistung vorgesehen, doch wurde die hochkarätig besetzte Juristenfakultät unter Verzicht auf die Pflicht zur Erstellung einer Dissertation und ein Studium am Ort bald zu einer beliebten, Manna verheißenden Doktorfabrik, bis sie 1904 die obligatorische Dissertation erneuerte. Zahlreiche Abhänge dokumentieren die Leistungen des Verfassers im Detail (z. B. zwischen 1386 und 1581 321 Lizentiatspromotionen und 137 Doktorpromotionen, wohl am Toresschluss 1910/1911 allein 235 Doktorpromotionen, 2006/2007 53, davon 11 summa cum laude, 24 magna cum laude, 17 satis bene, 1 rite, Durchschnitt 2,1, knapp ein Drittel Frauen) und stellen die normativen Grundlagen allgemein zur Verfügung, so dass ähnliche, noch ausstehende Untersuchungen für weitere Universitäten mit oder ohne Höllenrichter als sehr erwünscht angesehen werden müssen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler.