Angenendt, Arnold, Die
Gegenwart von Heiligen und Reliquien, eingel. und hg. v. Lutterbach,
Hubertus. Aschendorff, Münster 2010. 260 S. Besprochen von Jasmin Deborah
vom Brocke.
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um
eine Sammlung von acht Aufsätzen des Münsteraner Kirchenhistorikers Arnold
Angenendt zum Thema „Heilige und Reliquien“, die in der Zeit nach dem
Erscheinen seiner gleichnamigen Monographie (1. Aufl. 1994) entstanden sind. Kompiliert
und eingeleitet wurde der Band, der sich als eine Festgabe zum 75. Geburtstag Arnold
Angenendts versteht, durch Hubertus Lutterbach.
In seiner Einleitung stellt Hubertus
Lutterbach die anhaltende Aktualität der Beschäftigung mit Heiligen und
Reliquien heraus, so etwa durch das Sachbuch „Ich bin dann mal weg“ von Hape
Kerkeling, das dessen Reise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela
beschreibt. Weiter gibt er das positive wissenschaftliche Echo auf die bereits
erwähnte Monographie Angenendts wieder und stellt die Heiligen und Reliquien
dann den Plastinaten aus Gunther von Hagens Ausstellung „Körperwelten“
gegenüber, wobei er zu der Erkenntnis kommt, dass die geringste Überschneidung
von Reliquien und Plastinaten diejenige ist, dass beides Körper von
Verstorbenen sind. Reliquien bestechen durch ihre Natürlichkeit, während den
Plastinaten eine umfangreiche und aufwendige Behandlung zukommt. Der
Herausgeber stellt aber zu Recht fest, dass es keine Kontinuität zwischen
Reliquien und Plastinaten gibt (S. 15/16). Abschließend nennt er zwei
tagesaktuelle Beispiele, welche die Bedeutung von Reliquien in unserer heutigen
Zeit noch einmal hervorheben: nämlich die Verehrung des verstorbenen, aber noch
nicht heilig gesprochenen Papstes Johannes Paul II. (S. 19-22) und die
Auffindung der Reliquien des Apostel Paulus Ende Juni 2009 (S. 22-25).
Der Schwerpunkt dieser Aufsatzsammlung liegt auf
der Religionsgeschichte, für die Rechtsgeschichte ergeben sich nur wenige
Ansatzpunkte. So setzt sich Angenendt im ersten Aufsatz mit dem
Titel „›Gesta Dei‹ – ›gesta hominum‹.
Religions- und theologiegeschichtliche Anmerkungen“ (S. 31-63) mit der Frage
nach dem Verhältnis von göttlicher und menschlicher Wirksamkeit im Verlauf der
Christentumsgeschichte auseinander. Hierbei betrachtet er die Bedeutung der
Religiosität für die Entstehung des mittelalterlichen Rechtssystems; etwa, dass
„der Gedanke des Gotteszornes … auch den Eid“ ermöglichte, „ohne den“ das „mittelalterliche(n)
Rechtsleben gar nicht denkbar gewesen wäre. … Auf diese Weise stellt der Eid
mit seiner Unterstellung unter den Gottesfluch überhaupt die engste Verbindung
von Religion und Recht dar.“ (S. 42) . Weiter geht er auf die
frühmittelalterliche Vorstellung des Göttlichen ein und spricht von der engen
Verknüpfung von Religionsakten mit Aktionen der ›Staatsverfassung‹ oder der
›Justiz‹, etwa bei der kirchlichen Salbung oder bei einem Gottesurteil (S. 52/53).
Die Auffassung von letzterem wandelte sich im 12. Jahrhundert. Die „Theologen …
sahen im Gottesurteil nunmehr eine Anmaßung, die Gott nötige in Dingen, die der
Mensch selbst zu leisten habe…“ (S. 56). Es mussten nun die beteiligten Personen
befragt, der Hergang rekonstruiert und ein Urteil gefällt werden. Dies
ausgehend vom Menschen, nicht von Gott. Diesen Aspekt nimmt er in dem Aufsatz
„Das Wunder – religionsgeschichtlich und christlich“ (S. 65-87) erneut auf (S.
74), wobei der Schwerpunkt dieses Beitrages in der Betrachtung der Wunder von
der Antike bis zur Gegenwart liegt.
Im
vierten Aufsatz mit dem Titel „In
porticu ecclesiae sepultus. Ein Beispiel von himmlisch-irdischer Spiegelung“ (S.
145-161) untersucht Angenendt die Bestattungen in Kirchen, besonders im
Eingangsbereich. Hierbei befasst er sich auch mit den rechtlichen Aspekten der
Kirchenbestattung, etwa dem Verbot dieser auf den Konzilen von Braga 561 und
Mainz 813 sowie Ausnahmen von diesem Verbot (S. 154/155).
Die anderen Aufsätze haben keine wesentlichen
rechtsgeschichtlichen Anknüpfungspunkte. Angenendt betrachtet Martin von
Tours als Beispiel eines ›Gottesmenschen‹ in dem Aufsatz „Martin als Gottesmann
und Bischof“ (S. 89-108). Weiter beschäftigt er sich mit der Idee des „›Corpus
incorruptum‹ – eine Leitidee der
mittelalterlichen Reliquienverehrung“ (S. 109-143) und der damit einhergehenden
Vorstellung der Unverweslichkeit von Heiligen bzw. deren Körpern. Ebenfalls den
toten Körper behandeln die Beiträge „›Eure Gebeine werden wie Pflanzen
sprossen.‹ Zum religionsgeschichtlichen und theologischen Hintergrund der
Reliquiengärten“ (S. 163-191) und „Der Leib ist klar, klar wie Kristall“ (S.
193-207). Der abschließende Aufsatz „›In Honore Salvatoris‹. Vom Sinn und
Unsinn der Patrozinienkunde“ (S. 209-260) fasst die vorangegangenen Aufsätze
noch einmal zusammen und analysiert die Möglichkeiten, die die Erforschung von
Patronaten bringen kann bzw. beleuchtet kurz die Veränderungen in der
Patronatswahl im Laufe des Mittelalters.
Insgesamt lässt sich sagen, dass es sich um eine
in sich konsistente und aufeinander aufbauende Sammlung von Aufsätzen handelt, deren
Bedeutung der Herausgeber überzeugend in einen aktuellen Kontext gestellt hat.
Bielefeld Jasmin
Deborah vom Brocke