Werner, Eva Maria, Kleine Geschichte der
deutschen Revolution von 1848/49 (= UTB 3219). Böhlau, Wien 2009. 178 S. 15
Abb. Besprochen von Martin Moll.
Die runden Jahrestage der 1848er-Revolution haben
sowohl 1998 als auch 2008 im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl neuer
Forschungen hervorgebracht, die zentrale Aspekte des Geschehens abweichend von
der älteren Literatur einer Neubewertung unterziehen. Wie Eva Maria Werner (über
deren Person der Band nichts mitteilt) in ihrem einleitenden knappen
Forschungsüberblick darlegt, wird der behauptete bürgerliche Charakter der
Revolution massiv in Frage gestellt, während die langfristigen Folgen der
gescheiterten Erhebungen weitaus positiver als früher gesehen werden. Auch zu
den Trägerschichten der Revolution liegen zahlreiche neue Erkenntnisse vor.
Da diese Einsichten großteils auf den Resultaten
unzähliger Lokal- und Regionalstudien basieren, droht Werner zufolge der
gesamteuropäische Zusammenhang der Revolution aus dem Blick zu geraten, zumal
dieser Konnex mehr und mehr durch eine unverbundene Aneinanderreihung örtlich begrenzter
Ereignisse aufgesplittert wird. Nicht zuletzt aus dieser bedauerlichen
Entwicklung, die zudem dem Empfinden der Zeitgenossen von 1848/49 krass
widerspricht, sowie aus der Notwendigkeit, einer breiten Leserschaft,
insbesondere Studierenden, eine ebenso kurze wie leicht verständliche Zusammenfassung
der ausdifferenzierten Forschung an die Hand zu geben, leitet die Verfasserin
die Rechtfertigung ihrer Synopse ab. Die Umsetzung dieses Anspruchs ist ihr
auch gut gelungen.
Auf lediglich 145 Textseiten behandelt Werner den
deutschen Anteil an der weite Teile Europas erfassenden Revolution, womit der
Deutsche Bund in seinen 1815 festgelegten Grenzen gemeint ist. Leider fehlt
eine Landkarte, die dem mit der Materie nicht vertrauten Leser sowohl die
Ausdehnung des Bundes als auch dessen 39 extrem heterogene Mitgliedsstaaten auf
einen Blick zeigt. So bleibt nur zu hoffen, dass vor allem jüngere Leser mit
historischen Territorialbezeichnungen wie Böhmen, Ost- und Westpreußen usw. noch
etwas anzufangen vermögen – eine Kenntnis, die freilich zur Aneignung des
Textes unerlässlich ist, da nur so verständlich wird, dass die Großmächte
Österreich und Preußen lediglich mit Teilen ihres Gesamtgebietes dem Deutschen
Bund angehörten (wobei sich deren Umfang 1848/49 obendrein noch mehrfach
änderte).
Sieht man von diesem, aus der Sicht des
Rezensenten sehr wahrscheinlichen Verständnisproblem einmal ab, so bietet der
in 11 Kapitel gegliederte, durch weitere Zwischenüberschriften kleinteilig
strukturierte und durch Querverweise gut erschlossene Band eine exzellente
Einführung in Vorgeschichte, Ursachen, Verlauf und Resultate der Revolution,
dies alles immer im oben definierten deutschen Rahmen und nur gelegentlich
durch den Blick auf das Ausland angereichert. Immerhin kommt Frankreich als
Auslöser der Erhebung ebenso ins Spiel wie Österreichs zeitweilig enorme
Schwierigkeiten mit national motivierten Aufständen in seinen nicht dem
Deutschen Bund angehörenden Gebieten, insbesondere in Oberitalien und in Ungarn,
erläutert werden. Das dritte, zugleich aber auch letzte hier behandelte
außenpolitische Moment bildet der Konflikt zwischen dem Bund und Dänemark um
Schleswig, der Interventionen anderer Großmächte hervorrief.
Innerhalb des so abgesteckten Rahmens stand die
Autorin vor dem Problem, chronologische und thematische, überregionale und
einzelstaatliche Aspekte in eine kohärente Darstellung zu integrieren, das
Besondere neben dem Allgemeinen zur Geltung zu bringen. Nicht völlig logisch
beginnt sie mit einer Schilderung der französischen Februarrevolution als
Ausgangspunkt, worauf Überlegungen zur passenden Begrifflichkeit (Revolution
oder Revolutionen, Revolution oder Reform) anschließen. Danach beschreibt sie
mit wenigen aber aussagekräftigen Strichen Strukturen und Defizite des
schwerfälligen, den Herausforderungen der Zeit kaum mehr gewachsenen Deutschen
Bundes, dessen Reformunwilligkeit auf allen Ebenen eine revolutionäre Situation
schuf, die sich (Kapitel 3) in den zunächst überraschend erfolgreichen
Märzerhebungen entlud. Kapitel 4 untersucht sodann, wiederum analytisch
ausgerichtet, diverse Ausprägungen dieser eben nicht nur bürgerlichen
Revolution, deren anfängliches Durchschlagen nicht zuletzt auf tiefgreifenden
Veränderungen des Kommunikationssystems beruhte; diesem ist Abschnitt 5
gewidmet.
Nachdem Kapitel 6 auf wenigen Seiten die 1848
angestoßene, sehr unterschiedliche Emanzipation von Juden und Frauen
thematisiert hat, widmet sich das mit rund 30 Seiten längste und zentrale
Kapitel 7 der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, deren
Verfassungswerk in einem weiteren längeren Abschnitt beschrieben wird. Dieser
schließt ab mit dem letztlichen Scheitern der Paulskirche, wonach das quer zur
Chronologie stehende Kapitel 9 den Revolutionsverlauf in vier ausgewählten
Einzelstaaten (neben den beiden Großmächten noch Baden und Hannover) skizziert.
Es folgen Ausführungen zu der sich über mehrere Jahre erstreckenden
Liquidierung der Revolution sowie ein abschließender, „Was bleibt?“
überschriebener und erstaunlich positiver Ausblick, der die langfristige
Irreversibilität der „Märzerrungenschaften“ von 1848 betont.
Dem schmalen Band sind 15 zeitgenössische Abbildungen
beigegeben, deren – sich keineswegs von selbst erschließende – Aussagen stärker
mit dem Text hätten verbunden werden können. Eine Zeittafel, ein thematisch
gegliedertes Literaturverzeichnis, eine umfangreiche Linksammlung mit
wertvollen Hinweisen auf Internetquellen sowie ein Personenregister runden
diesen gut und prägnant geschriebenen Band ab. Er gestattet dem mit dem
Gegenstand nicht vertrauten Leser eine rasche, wegen des begrenzten Umfangs
notgedrungen geraffte Orientierung über alle relevanten Aspekte der Revolution
von 1848/49 und kann daher als Einführung wärmstens empfohlen werden, zumal er,
basierend auf dem neuesten Forschungsstand, manch tief verwurzeltes Klischee
widerlegt.
Graz Martin Moll