Terror und Normalität. Urteile des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs 1934-1945. Eine Dokumentation v. Marxen, Klaus/Schlüter, Holger (= Juristische Zeitgeschichte Nordrhein-Westfalen 13). Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2004. 369 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In seinem kurzen Vorwort erinnert der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen daran, dass am 1. August 1934 die ersten Verhandlungen des Volksgerichtshofs begannen und rund 10 Jahre später die Prozesse gegen die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 eröffnet wurden. Der deutschen Justiz sei es in all den folgenden Jahren nicht gelungen, auch nur einen Richter und Staatsanwalt dieses rund 5000 Menschen zum Tode verurteilenden Gerichts strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Dementsprechend sei eine Dokumentation über die Person Roland Freislers und die Verfahren wegen des 20. Juli 1944 im Jahre 2004 hinaus überfällig und werde auf reges Interesse in der Öffentlichkeit stoßen.

 

Im Anschluss daran schildert Klaus Marxen zunächst den bekannten Volksgerichtshof. Danach geht er verdienstvollerweise aber gerade besonders auf die Bereiche ein, die hinsichtlich des Volksgerichtshofs bisher weitgehend ausgespart wurden und damit unbekannt geblieben sind. Im Vergleich zeigt er, dass die Bezeichnung der Tätigkeit des Volksgerichtshofs als Willkürjustiz oder Scheinjustiz unzutreffend sei, weil eine juristische Normalität, die sich darauf beschränke, einen Ableitungszusammenhang herzustellen, auch wegen dieser rein instrumentellen Funktion mit Terror kompatibel sei und in bloß entlastender Funktion juristische Normalität Strafterror ermögliche.

 

Danach bietet Holger Schlüter eine kurze, aber eindrucksvolle Chronik des Volksgerichtshofs, dessen personelle Erstbesetzung kaum der eines Revolutionstribunals entsprochen habe, da beispielsweise nur einer der zwölf Berufsrichter vor 1933 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei geworden sei. Die Betrachtung der Praxis des Volksgerichtshofs zeigt, dass von den mindestens 15729 abgeurteilten Menschen mehr als vier Fünftel erst ab 1940 abgeurteilt wurden. Insgesamt wurden mindestens 5279 Abgeurteilte (33.6 Prozent) zum Tode, 58,3 Prozent zu Freiheitsstrafen, 2 zu Geldstrafen verurteilt und 8,1 Prozent freigesprochen.

 

Im Anschluss hieran erläutert Holger Schlüter die Auswahl und Darstellung der Urteile. Abgedruckt  werden insgesamt 50 Entscheidungen. Sie reichen vom 9. August 1934 (gegen Kurt Böhm u. a.) bis zum 17. Januar 1945 (Hermann Kaiser u. a.).

 

Im Anhang sind die Urteile nach Verfahrensgruppen aufgeschlüsselt (Spionageverfahren, Oppositionsverfahren, Heimatfrontverfahren, Annexionsverfahren, sonstige Verfahren 20. Juli/1945). Archivnachweise, der Abdruck ausgewählter Rechtsvorschriften, ein Abkürzungsverzeichnis, ein Literaturverzeichnis und Autorenhinweise vervollständigen die Dokumentation. Sie legt eine vorzügliche Grundlage für jegliche Beschäftigung mit einem der problematischsten Gerichte deutscher Geschichte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler