Schubert, Kurt, Die Geschichte des österreichischen Judentums. Böhlau, Wien 2008. 170 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Kurt Schubert wurde in Wien am 4. März 1923 in einem bürgerlich-altösterreichisch gesinnten Elternhaus, das den Nationalsozialismus ablehnte und seine Feindschaft gegen das nationalsozialistische System vollinhaltlich deckte, geboren. Wegen seines Asthmas musste er nicht einrücken, aber sich mit Studienbeginn zum Luftschutzlehrer ausbilden lassen, als welcher er unter anderem einen Teil der Bibliothek des Rabbinerseminars in der Tempelgasse in Wien II rettete. Gerade noch vor Kriegsende zum Dr. phil. promoviert, beauftragte ihn der russische Stadtkommandant in der Mitte des Monats April 1945 mit der Wiedereröffnung der Universität, an der er am 2. Mai 1945 als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Orientalistik die erste Vorlesung an der Universität nach Kriegsende hielt (Bibelhebräisch für Anfänger).
Von dieser Zeit an lehrte er bis ins Sommersemester 2006 während 61 Jahren an der Universität. Ab 1946 nahm er im Lager jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa Unterricht in Talmud und Midrasch in klassischer Weise und in Modernhebräisch. 1948 wurde er in Hebraistik habilitiert und forschte seitdem - vielfach mit seiner Frau - in dem von ihm gegründeten Institut für Judaistik in vielen wichtigen Bereichen der Judaistik, bis der Tod dem liebevoll Moses genannten Gelehrten am 4. Februar 2007 die Feder aus der Hand nahm.
Die Geschichte des österreichischen Judentums wird von seinem Schüler Bernhard Dolna mit einem einfühlsamen Vorwort herausgegeben Vorausgeht ein Vorwort von em. Weihbischof Helmut Krätzl. Gefolgt wird es von einem Vorwort des Oberrabbiners Prof. Paul Eisenberg.
Gegliedert ist das Werk in zehn Abschnitte. Es beginnt mit dem Judentum von den Anfängen bis zur Wiener Geserah 1421 und der Vertreibung aus der Steiermark und Kärnten 1496, wobei ein erster Anfang in der Zollordnung von Raffelstetten an der Donau, zwischen der Mündung der Enns und der Traun gelegen, im Jahr 906 sichtbar wird. Fest besiedelt von Juden wird das Gebiet des heutigen Österreich freilich erst von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an.
Der zweite Abschnitt handelt von der Wiener Geserah über die Gründung der Judenstadt am unteren Wörth (1624/1625) bis zur zweiten Vertreibung der Juden in Wien 1670. Daran schließt sich die Zeit der restriktiven Judenordnungen, aus der Samuel Oppenheimer und Samson Wertheimer herausgestellt werden, bis zur josephinischen Reform an. Die Judenpolitik Kaiser Josephs II. hat dann Auswirkungen bis in den Vormärz.
Nach dem Revolutionsjahr 1848 sieht der Verfasser das Wiener Judentum zwischen Identitätskrise und Selbstbehauptung. Am Ende des 19. Jahrhunderts erwachsen religiös motivierter, christlichsozialer und deutschnationaler Antisemitismus, der bekanntlich auch Adolf Hitler ergriff. Die letzten vier Abschnitte sind ganz knapp dem Judentum im Gebiet der heutigen österreichischen Bundesländer (S. 101-102) und ausführlicher der Zeit der ersten Republik und des christlichen Ständestaats, den sieben Jahren nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und der Zeit nach der Befreiung 1945 im neuen Österreich gewidmet.
Am Ende folgen gesammelt Anmerkungen. Ein kurzes Register führt von Aahad Ha-Am aus Odessa bis zu Stefan Zweig. Insgesamt wird auf diese Weise auf knappem Raum das gesammelte Sachwissen eines der besten Kenner der Geschichte des österreichischen Judentums jedermann zur Verfügung gestellt.
Innsbruck Gerhard Köbler