Schlick, Caroline B., Apotheken im totalitären Staat - Apothekenalltag von 1937-1945, mit einem Geleitwort von Friedrich, Christoph (= Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 85). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2008. 594 S., 92 Abb. 56 Tab. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die neuere Geschichte des Apotheken-, Arzneimittel- und Drogenrechts ist bisher kaum in das Blickfeld der Rechtsgeschichte gekommen, so dass die Arbeit Caroline Schlicks über die Apotheken und den Berufsstand der Apotheker für die Zeit von 1937-1945 umso mehr zu begrüßen ist. Schlick setzt mit ihren Untersuchungen die Forschungen Gerald Schröders in dessen Werk: „NS-Pharmazie. Gleichschaltung des deutschen Apothekerwesens im Dritten Reich“ (Stuttgart 1988) fort. Allerdings befasst sich Schröder lediglich mit der Verbandsgeschichte und nicht mit der Apotheken- und Pharmaziegesetzgebung im Einzelnen. Erst das Werk Schlicks geht ausführlicher auf die Apothekengesetzgebung ein, und zwar im Wesentlichen erst für die Zeit von 1937 an. Die Gleichschaltung der Apothekerschaft war 1935 mit der Gründung der Deutschen Apothekerschaft abgeschlossen. Die Etablierung der Reichsapothekenkammer im Jahre 1937 beruhte auf einem Gesetz dieses Jahres. Beide Institutionen leitete Albert Schmierer, der enge Beziehungen zu den für das Apotheken- und Arzneimittelrecht zuständigen Sachbearbeitern des Reichsinnenministeriums hatte und die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Apothekenwesens erheblich mit beeinflusste. Unter den gesetzlichen Maßnahmen des NS-Regimes sind zu erwähnen das Gesetz vom 13. 12. 1935 über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken, die Reichsapothekerordnung vom 18. 4. 1937, die Bestallungsordnung vom 8. 10. 1937 sowie die Prüfungsordnung für Apotheker vom 8. 12. 1934. Für den Rechtshistoriker von Interesse sind ferner die Passagen über die Vorschriften zum Arzneimittelverkehr (S. 217ff.) und über die Betäubungsmittelgesetzgebung (S. 304ff.), die allerdings noch weitgehend aus der Weimarer Zeit stammt. Ein 1939 vorliegender Entwurf zu einem Arzneimittelgesetz wurde während des Krieges nicht weiter verfolgt. Erst 1961 erging für die Bundesrepublik ein einheitliches Arzneimittelgesetz. Eine vollständige Umstellung auf das Konzessionssystem konnte während der NS-Zeit nicht verwirklicht werden; vielmehr gab es nach wie vor verkäufliche und vererbliche Apotheken neben der Personalkonzession. Auch eine einheitliche Apothekenbetriebsordnung kam in der NS-Zeit nicht zustande; die Betriebsordnungen der Länder beruhten im Wesentlichen auf der preußischen Betriebsordnung von 1902/40. Insgesamt hat Schmierer nicht nur die ideologische Erziehung der Apotheker stark vorangetrieben, sondern auch die Modernisierung und Zentralisierung des Apothekenrechts Wiederholt geht Schmierer auf die Diskriminierung und Verdrängung der jüdischen Pharmazeuten ein (S. 135ff.). Ein Teil des Apothekenrechts der NS-Zeit blieb auch nach 1945 in gereinigter Fassung weiter bestehen (vgl. S. 176). Es wäre nützlich gewesen, wenn Schlick auf Fragen der Kontinuität zwischen der NS-Zeit und der frühen und mittleren Bundesrepublik auf dem Gebiet des Apotheken- und Arzneimittelrechts detaillierter eingegangen wäre. Insgesamt liegt mit den Untersuchungen Schlicks ein auch für die Rechtsgeschichte wichtiges Werk vor, das viele Aspekte der Geschichte des Apothekenrechts, eines inzwischen noch wichtiger gewordenen Gebiets des öffentlichen Rechts, behandelt und auch den Rechtshistoriker zur Beachtung dieses Rechtsgebiets anregen sollte.

 

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Werner Schubert