Savigny, Friedrich Carl von, Pandekten. Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, nach Savignys Vorlesungsmanuskript hg. v. Avenarius, Martin (= Savignyana 8 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 228). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. XIV, 383 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wer den Namen „Friedrich Carl von Savigny“ in die bekannteste digitale Suchmaschine der Gegenwart eingibt, erzielt ungefähr 36100 Treffer. Freilich muss er im ersten Treffer zu seiner Überraschung erfahren, dass Friedrich Carl von Savigny zwar ein deutscher Jurist, aber eigentlich ein in München am 3. Juli 1903 geborener und am 15. März 1944 bei Tarnopol verstorbener Widerstandskämpfer war. Erst danach erschließt sich Friedrich Carl von Savigny jedermann als der bekannteste deutsche Jurist, dessen bloßer Familienname immerhin derzeit rund 2770000 digitale Nennungen weltweit auslöst.

 

Die vorliegende Edition bildet das Ergebnis von Arbeiten, die 1993 begonnen und 2007 im Rahmen eines Forschungssemesters des verdienstvollen Herausgebers ihren Abschluss gefunden haben. Sie ist Teil des von Joachim Rückert initiierten Projekts Savignyana, in dessen Rahmen die unveröffentlichten Materialien zu Leben und Werk Savignys herausgegeben werden. Da Savigny in Gegensatz zu Kollegen kein Pandektenlehrbuch veröffentlicht hat, ist die Veröffentlichung seiner Pandektenvorlesung an Hand von handschriftlichen Unterlagen besonders bedeutsam, weil nur auf diese Weise die ganze Wirkung Savignys auf das deutsche Recht sachgerecht ermittelt werden kann.

 

Zu Beginn des den Savignyanabänden 1 (Pandektenvorlesung 1824/1825, 1993), 2 (Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, 2. Aufl. 2004), 3 (Landrechtsvorlesung 1824, 1994 und 1998) und 5 (Politik und neuere Legislationen, 2000) folgenden achten Bandes führt der Herausgeber in die Bedeutung und die Grundsätze der Edition sachverständig ein. Zu Recht bezeichnet er das Pandektenmanuskript als das wichtigste Zeugnis von Savignys Interpretation der juristischen Hauptvorlesung des 19. Jahrhunderts. Es hat neben dem Savignys wissenschaftliche Arbeit bezeugenden monumentalen Druckwerk über das Obligationenrecht als Teil des heutigen römischen Rechts (1851ff.) als wesentliche Vorstufe durchaus eigenständige Bedeutung.

 

Die Pandekten las Savigny bereits in Marburg im Sommer 1801. Hier folgte er unter Beschränkung auf die letzten zehn Bücher Justus Henning Böhmers Introductio in ius digestorum, die in 14. Auflage 1791 erschienen war. Für Landshut erarbeitete er 1809 die Vorlesung völlig neu und verschuf seinen in die Mitarbeit einbezogenen Hörern dabei unmittelbar Einblick in die Methoden der Herausarbeitung des geltenden Rechts aus den Quellen und die Auseinandersetzung mit abweichenden Standpunkten.

 

Mit Nachdruck weist der Herausgeber auf ein besonderes Problem seiner Edition hin. Bei der Vorlage handelt es sich zwar um authentisches Material Savignys, doch hatte der Verfasser es gerade nicht für Dritte geschrieben und auch nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Dennoch ist die Entscheidung für eine Publikation wissenschaftsgeschichtlich gerechtfertigt, wenn nicht sogar notwendig.

 

Das Manuskript selbst ist in der Universitätsbibliothek Marburg unter der Signatur Ms. 925/37,2 aufbewahrt. Es umfasst 147 einzelne, meist beidseitig beschriebene Blätter. Sie sind nach Heises Grundriss (Heise, Georg Arnold, Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandekten-Vorlesungen, 1807) geordnet.

 

Ausführlich behandelt der Herausgeber im Anschluss an diese Darlegungen die Entwicklung der Lehren und das Verhältnis des Manuskripts zum Torso gebliebenen Obligationenrecht Savignys. Dabei zeigen sich viele Übereinstimmungen und Abweichungen. Insbesondere kann der Herausgeber feststellen, dass trotz der Ausführlichkeit der Darstellung im Obligationenrecht das Manuskript über dieses nicht nur durch Hinweise auf berücksichtigte Literatur erheblich hinausgeht, sondern auch zahlreiche Hinweise auf ungedruckte Materialien von eigener und fremder Hand enthält.

 

Angesichts des fehlenden Fließtexts des Manuskripts verbot sich für den Herausgeber eine strikt am Original orientierte Übertragung, so dass die Edition in verschiedener Hinsicht von ihm abweicht. Um jedoch dem Erkenntnisinteresse entgegenzukommen, das sich auf Savignys Dogmatik richtet, ist der Text in einer möglichst leicht erschließbaren Form dargestellt. Im Zweifel kann der Herausgeber also dem Interessierten die Benutzung des Manuskripts nicht ersparen.

 

Gegliedert ist der Text in insgesamt vier Kapitel. Sie betreffen den Inhalt einer Obligation, die Subjekte einer Obligation, die Entstehung der Obligationen und die Aufhebung der Obligationen. Ergänzt ist das wertvolle Werk durch Anhänge und ein Personenregister, Sachregister sowie ein Quellenregister, so dass für die Beschäftigung mit Savigny auf Grund der Edition jedem Interessierten ein weiteres vorbildliches Hilfsmittel zur Verfügung steht, das aber wohl durch Digitalisierung noch weiter gewinnen könnte..

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler