Roth, Markus, Herrenmenschen. Die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen - Karrierewege, Herrschaftspraxis und Nachgeschichte. Wallstein, Göttingen 2009. 556 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das Werk Markus Roths, hervorgegangen aus einer erheblich gekürzten, unter Norbert Frei entstandenen Jenaer Dissertation, befasst sich zunächst mit der Herrschaftspraxis und den Karrierewegen der Kreishauptleute im Generalgouvernement (S. 65ff., 119ff.), das die Distrikte Radom, Warschau, Lublin und Galizien umfasste. Im zweiten Teil geht Roth der „politischen Abrechnung“ nach 1945 nach (S. 282ff.; Entnazifizierung, Auslieferung und Prozesse in Polen; Ermittlungen in der Bundesrepublik; Nachkriegskarrieren). Wie Roth im Einzelnen nachweist, ist die Geschichte der deutschen Besatzungspolitik in Polen während des Zweiten Weltkriegs eine Geschichte des Terrors, der Korruption und der Vernichtung insbesondere der jüdischen Bevölkerung. Mit dem Ende der Militärverwaltung zum 25. 10. 1939 begann die Geschichte des Generalgouvernements, an dessen Spitze der damalige Präsident der Akademie für Deutsches Recht, Hans Frank stand. Die Zivilverwaltung war in drei Ebenen gegliedert: Unterhalb der Spitze in Krakau standen die vier bereits genannten Distrikte und die zunächst knapp 50 Kreis- und Stadthauptmannschaften, die von Kreis- und Stadthauptleuten geleitet wurden (S. 65ff.). Ferner existierte noch die polnische und ukrainische „Selbstverwaltung“ auf Gemeindeebene (S. 83ff.), die unter totaler Kontrolle der deutschen Verwaltung stand.

 

Die Kreishauptleute verfügten über einen großen Handlungsspielraum und waren in der Wahl ihrer Methoden in ihren Aufgabenfeldern (Deportation polnischer Arbeitskräfte, Ausbeutung der Landwirtschaft, Verfolgung und Ermordung der Juden) sehr frei. Nicht behandelt hat Roth von der Zielsetzung seiner Arbeit her das Verhältnis der Kreishauptleute zur Justiz. Wie die fast 150 Kurzbiographien (S. 456ff.) zeigen, waren mindestens drei Viertel der Kreis- und Stadthauptleute Volljuristen; mehr als die Hälfte von ihnen war vor der „Machtergreifung“ bereits Mitglied der NSDAP, knapp ein Drittel von ihnen war noch 1933 der Partei beigetreten (weit mehr als die Hälfte war im Zeitpunkt des Parteieintritts nicht älter als 30 Jahre). Roth geht vor allem der Frage nach , weshalb so viele Kreishauptleute extrem radikal und brutal vorgingen und eine Vorreiterrolle für die Radikalisierung der Besatzungspolitik einnahmen (S. 87ff., 119ff.). Im zweiten Teil befasst sich Roth mit den Abwehrhaltungen und Anpassungsleistungen bei Internierungen, Entnazifizierungen und Auslieferungen. Strafrechtliche Ermittlungen setzten erst in den 60er Jahren ein, die fast ausnahmslos mit der Einstellung des Verfahrens endeten. Einer der Kreishauptleute, die nach 1945 in der Öffentlichkeit hervortraten, war Hans-Adolf Asbach, (von 1950-1957 Landesminister in Schleswig-Holstein), ein anderer Claus Peter Volkmann, der nach journalistischer Tätigkeit bei der FAZ und der „Welt“ unter dem Pseudonym Peter Grubbe ein bekannter linksliberaler Journalist beim „Stern“ und der „Zeit“ war (S. 412ff.). Für die Rechtsgeschichte ist das verwaltungsgeschichtlich orientierte Werk Roths vornehmlich für die Erschließung von Juristenkarrieren in der NS-Zeit, für wichtige Aspekte der „Rechtsgeschichte“ des Generalgouvernements und für die Herausarbeitung der „enormen Integrationsleistung der jungen Bundesrepublik, deren Institutionen, selbst noch im Aufbau begriffen, den massenhaften Zustrom der ,Ehemaligen’ verkraftete, ohne von diesen erkennbar auf die ,schiefe Bahn’ gelenkt zu werden“ (S. 436).

 

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Werner Schubert