Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. v. Koller, Heinrich/Heinig, Paul Joachim/Niederstätter, Alois (= Böhmer, J. F., Regesta Imperii, Unterreihe). Supplemente Kaiser und Reich in der Regierungszeit Friedrichs III. 1 Regesten zur burgundisch-niederländischen Geschichte unter Maximilian I. bis zum Tode Friederichs III. (1477-1493) aus den Archives générales du Royaume/dem Algemeen Rijksarchief in Bruxelles/Brüssel, Bestand Manuscrits divers, bearb. v. Rotthoff-Kraus, Claudia. Böhlau, Wien 2008. 290 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.
Mit vorliegendem Band eröffnet das österreichisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen der „Regesten Kaiser Friedrichs III.“ eine neue Unterreihe, die der „Supplemente“. In dieser soll in lockerer Folge alles erdenkliche Quellenmaterial in Regestenform veröffentlicht werden, das in Anbetracht der gerade unter diesem Herrscher fortschreitenden Dualisierung der Reichsgewalt zum Verständnis von Kaiser und Reich wichtig erscheint. In Betracht kommen etwa wichtige Dokumente aus den Fürsten- und Städtekorrespondenzen sowie alle Formen zwischenständischer Kommunikation, sofern ein erkennbarer Bezug auf den Herrscher bzw. das Reichsganze gegeben ist. Damit wird einerseits zu dem bisher ganz auf die Diplome und Briefe des Königs bzw. Kaisers zugeschnittenen Regestenpublikation eine Ausweitung in der Form vorgenommen, dass auch die in seinem Umkreis oder ihn betreffenden Schriften einbezogen werden. Andererseits werden damit die Abgrenzungen zu vergleichbaren Publikations- und Editionsreihen fließender, wie etwa zum Projekt der „Reichstagsakten“. Dies ist gewiss nicht von Nachteil, setzt aber eine hohe Disziplin bei der Auswahl der Dokumente voraus, ein Gefühl für die Abwägung zwischen Wichtigkeit oder Unwichtigkeit für die Reichsgeschichte, um eine Uferlosigkeit der Sammlung zu vermeiden. Es kann angenommen werden, dass verfassungshistorisch wichtige Dokumente einen besonderen Platz in dieser Regestenreihe einnehmen werden.
Die Bandbreite der hier relevanten Dokumente wird in dem hier vorliegenden ersten Band gleich in mehrfacher Hinsicht ausgelotet. Erstens werden landesherrliche Verlautbarungen eines Fürsten regestiert, dessen Herrscherbeziehungen in seiner Sohneseigenschaft – es geht um Herzog Maximilian von Burgund, also im familiären Bezug zum Kaiserhaus, begründet lagen; zweitens verringerte dieser notgedrungen die vor ihm eingetretene ‚Distanz’ seines Herrschaftsbereichs zu Kaiser und Reich und drittens stieg der junge Habsburger im berücksichtigten Zeitraum selbst unter dem Namen Maximilian I. zum römisch-deutschen König auf und ließ sich durch seinen kaiserlichen Vater nicht völlig von der politischen Bühne des Gesamtreichs eliminieren. Es kommen formale Gründe hinzu, durch die ein bisher vernachlässigter Aktenbestand aus dem Generalarchiv in Brüssel zu neuer Geltung kommt. Zwar gehören die hier regestierten Urkunden und Briefe spätestens ab der Königswahl im Februar 1486 eigentlich zum Erfassungsbereich der „Regesten Maximilians I.“; doch ist diese Regestenreihe ganz auf die selbständige Reichsregierung Maximilians ab 1493 zugeschnitten, so dass die ‚burgundischen Jahre’ zurückgestellt werden mussten. Und da außerdem wegen der Fülle des Materials durch die Herausgeber der Maximilian-Regesten eine reichsbezogene Auswahl getroffen werden musste, dürfte der Bereich der Überschneidungen begrenzt bleiben.
Die Herausgeber, die auch für die übrigen Hefte der neuen Regesta Imperii-Reihe zu Friedrich III. verantwortlich zeichnen (s. die Rezension von Heft 21 in: ZRG GA 124, S. 488f.), haben die Prinzipien der neuen Reihe in einem Vorwort dargestellt. Die Bearbeiterin hat weitere Einzelheiten über die Geschichte der ersten fünfzehn Jahre des politischen Wirkens des Kaisersohns Erzherzog Maximilian von Österreich als Herzog von Burgund und als Mitregent seines Vaters in einer ausführlichen Einleitung zusammengetragen. Entstanden ist damit ein sehr informativer Überblick über die ersten ‚politischen Jahre’ Maximilians im Rahmen der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs und des Herzogtums Burgund. Als Grundlage diente ihr der sehr disparate Bestand der „Manuscrits divers“, in dem nach Provenienzen nicht eindeutig zuordenbare Schriftstücke gesammelt waren, Originale wie spätere Abschriften. Aus diesem Bestand (besonders die Aktennummer 1277) konnten die zumeist von Herzog bzw. König Maximilian bzw. Herzogin Maria von Burgund ausgestellten Schriftstücke entnommen und regestiert werden. Soweit wie möglich ordnet die Bearbeiterin die Texte auch kanzleigeschichtlich ein und stellt sie auch nach inhaltlich zusammen gehörigen Gruppen zusammen.
Betroffen sind vor allem Dokumente zur ständischen Mitwirkung, vor allem in Münz- und weiteren Wirtschaftsangelegenheiten (z.B. Ordonnanz von 1489 zur Neuordnung des Münzwesens, Nr. 303). Die landständische Vertretung der Herrschaften des burgundischen Staatensystems hat eine lange Tradition und geht, wie in Flandern, bis ins 13. Jahrhundert zurück. Insofern hatte sich auch Maximilian mit dieser Beschränkung des der Herrschaft zustehenden Machteinflusses auseinanderzusetzen, musste dies auch am eigenen Leib schmerzlich erfahren. Viele Dokumente betreffen das Verhältnis zu Kirche und Geistlichkeit, dann die Beziehungen zu den Städten Gent, Brügge, Ypern und Brüssel, auch Löwen, Antwerpen und Herzogenbusch, denen u. a. Privilegien gewährt werden (ein sehr ausführliches Privileg von 1481 zugunsten der Stadt Brüssel mit 30 Artikeln, Nr. 126, mag hier als Beispiel dienen) und die durch landesherrschaftliche Verfügungen in die Politik des Herzoghauses eingebunden wurden. Zu bewältigen waren auch die ständischen Aufstandsbewegungen, die fast den gesamten flandrischen und brabantischen Bereich erfasst hatten, ausgenommen nur die Stadt Antwerpen und die Herrschaft Mecheln, die dem Herzog bzw. König die Treue hielten (vgl. etwa den Friedensvertrag von 1481, den Herzog Maximilian und Herzogin Maria zwischen den Städten Nimwegen, Grave und der umliegenden Ritterschaft abgeschlossen hatten, Nr. 133).
Wie in den anderen Heften der Reihe der Friedrich-Regesten werden auch hier wieder ausführliche Vollregesten geboten, die zwar nicht die Originalvorlagen ersetzen, wohl aber deren wesentliche Informationsdaten unter Einflechtung von Formulierungen und Ausdrucksweisen aus den Originalen wiedergeben. Ein Register der Orts- und Personennamen bietet dem Rechtshistoriker vor allem dadurch wichtige Hilfestellung an, als unter den jeweiligen Ortsbetreffen auch detaillierter Sachbetreffe nachgewiesen werden. So lässt sich sehr schnell ermitteln, dass der Supplementband nicht nur reichhaltiges Material zur landeskundlichen Forschung der Niederlande und Belgiens beinhaltet, sondern vor allem wichtige verfassungsgeschichtliche Dokumente, die weit über diesen geographischen Bereich hinaus Bedeutung haben.
Darmstadt J. Friedrich Battenberg