Ramm, Arnim, Der 20. Juli
vor dem Volksgerichtshof (= Schriften zur Rechtswissenschaft 80). Wissenschaftlicher
Verlag Berlin, Berlin 2007. 541 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Jörn Eckert bzw. Werner Schubert
betreute, im November 2006 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der
Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie behandelt einen
wichtigen, in der bisherigen Literatur zu wenig erörterten Gegenstand. Sie
gliedert sich nach einer Einleitung in vier Kapitel.
Das erste Kapitel hat den Weg des Widerstands zum
Staatsstreichversuch des 20. Juli 1944 zum Gegenstand. Dabei befasst sich Ramm
zunächst mit dem militärischen Widerstand von 1933 bis 1944. Danach ermittelt
er als zivile Widerstandskreise den Kreisauer Kreis, die Beziehungen des
Widerstands ins Ausland und den Widerstandskreis um Carl Goerdeler.
Das zweite Kapitel betrifft die Maßnahmen des
nationalsozialistischen Regimes nach dem 20. Juli 1944. Dabei beginnen
Gegenaktionen noch am gleichen Tag. Bezüglich des Ermittlungsverfahrens dient
ein eigener Punkt der Beleuchtung der Folter.
Das dritte Kapitel bringt den Verfasser zu seinem
eigentlichen Thema. In diesem Rahmen beschreibt er zunächst den
Volksgerichtshof, die Strafnormen und die Prozessbeteiligten. Dabei sind die
Richter Roland Freisler und Richter nach Freislers Tod.
Beteiligt sind weiter hauptamtliche Beisitzer,
ehrenamtliche Beisitzer, Ersatzrichter, die Reichsanwaltschaft, die
ausgeschlossene und durch ausgesuchte
Zuschauer ersetzte Öffentlichkeit, die Verteidiger und die Angeklagten. Diese
hatten zwar der Form nach die in der Strafprozessordnung verbürgten Rechte. Es
war ihnen jedoch nicht möglich, diese Rechte ausreichend wahrzunehmen, obgleich
nach den Erkenntnissen des Verfassers die nationalsozialistische Justiz
grundsätzlich bemüht war, das Bild eines ordentlichen Verfahrens aufrecht zu
erhalten.
Anschließend
untersucht der Verfasser die wichtige Frage der Verfahrensmäßigkeit der
Prozesse. Allerdings standen ihm die Verhandlungsprotokolle nicht zur
Verfügung. Deswegen kann er die aufgeworfene Frage nur verallgemeinernd
beantworten.
Das vierte Kapitel erörtert die juristische Aufarbeitung
der Verfahren in der Nachkriegszeit: Ermittlungsverfahren gegen Richter und
hauptamtliche Beisitzer kann der Verfasser gegen Günther Nebelung, Johannes
Köhler, Erich Schlemann, Hans-Joachim Rehse und weitere Richter, ehrenamtliche
Beisitzer (Hermann Reinecke, Georg Seubert, Bernhard Heinrich Ahmels, Emil
Winter, Hans Fritz Kaiser) und weitere ehrenamtliche Richter sowie gegen Ernst Lautz, Kurt Schultze und weitere
Anklagevertreter ermitteln. Als Prozesse kann er darstellen den Huppenkothen-Prozess,
den Rehse-Prozess, den Prozess gegen Helene Schwärzel, den Prozess gegen Karl
Neuhaus und den Remer-Prozess.
Insgesamt gelangt er zu dem Ergebnis, dass es in der
Bundesrepublik Deutschland lange gedauert habe, bis der Widerstand vom 20. Juli
1944 die ihm gebührende Würdigung erfahren habe. Erst allmählich sei die
Überzeugung von der Legitimität des Widerstands gegen das
nationalsozialistische Regime gereift. Dementsprechend seien die Urteile des
Volksgerichtshofs gegen die Widerstandskämpfer erst 1998 pauschal durch den
Bundestag aufgehoben worden.
Die Anlagen ergänzen die beeindruckende Arbeit in
bedeutsamen Hinsichten. Sie nennen etwa als Angeklagte Erwin von Witzleben,
Erich Hoepner, Hellmuth Stieff, Albrecht von Hagen, Paul von Hase, Robert
Bernardis, Friedrich Karl Klausing, Peter Graf Yorck von Wartenburg, Erich
Fellgiebel, Alfred Kranzfelder, Georg Alexander Hansen, Fritz-Dietlof Graf von
der Schulenburg, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Bernhard Klamroth,
Johannes Georg Klamroth, Egbert Hayessen, Wolf-Heinrich Graf von Helldorf, Adam
von Trott zu Solz, Hans-Bernd von Haeften, Ludwig Freiherr von Leonrod,
Friedrich Jaeger, Joachim Sadrozinski, Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von
Schwanenfeld, Fritz Thiele, Cäsar von Hofacker, Carl-Heinrich von Stülpnagel,
Günther Smend, Karl Ernst Rathgens, Hans-Otfried von Linstow, Eberhard Finckh,
Kurt Hahn, Gerhard Knaak, Max Ulrich Graf von Drechsel, Hans Erdmann, Heinrich
Graf von Lehndorff, Carl Friedrich Goerdeler, Wilhelm Leuschner, Josef Wirmer,
Ulrich von Hassell, Paul Lejeune-Jung und viele andere. Ingesamt eine späte,
aber sachgerechte Aufarbeitung eines bedrückenden, etwa 100 nachgewiesene
Todesurteile umschließenden Kapitels deutscher Geschichte.
Innsbruck Gerhard Köbler