Preiß, Friederike, Der Prozess. Clara und Robert Schumanns Kontroverse mit Friedrich Wieck (= Europäische Hochschulschriften 36, 239). Lang, Frankfurt am Main 2004. 341 S., 1Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Volker Kalisch betreute, von Klaus Luig unterstützte, 2004 an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf angenommene musikwissenschaftliche Dissertation der Verfasserin. Sie untersucht den Prozess Clara Wiecks gegen ihren Vater Friedrich Wieck auf Zustimmung zur Eheschließung mit Robert Schumann. Ausgangspunkt ist dabei die Unterzeichnung einer Vollmacht für Anwalt Wilhelm Einert durch Clara Wieck am 15. Juni 1839, welche die Klage ermöglichte.
Beteiligt am Streit war der Theologe Friedrich Wieck, der sich wegen seiner Leidenschaft für die Musik auf dem Klavier ausbilden ließ und eine Klavierfabrik und einen Musikalienverleih gründete. Er wollte seine in Leipzig am 13. September 1819 geborene Tochter Clara Josephine wegen ihres musikalischen Talents durch persönlichen Unterricht so rasch wie möglich als Wunderkind und Klaviervirtuosin bekannt machen und ließ sie mit 10 Jahren erstmals öffentlich auftreten. Schon als Elfjährige lernte sie den ebenfalls zeitweise von ihrem Vater unterrichteten, mittellosen Robert Schumann kennen, den der Vater als Ehemann ablehnte.
Im September 1839 reichten Robert Schumann und Clara Wieck in Leipzig Klage ein. Am 1. August 1840 erteilte das Gericht die Zustimmung zur Eheschließung. Am 12. September 1840 wurde in Schönefeld bei Leipzig die Ehe geschlossen.
Die Verfasserin beginnt ihre eindringliche Untersuchung mit der Darstellung der Lage vor Prozessbeginn. Im zweiten Abschnitt schildert sie den Verfahrensablauf einschließlich des Urteils und seiner Begründung. Danach wendet sie sich der selbständigen Rekonstruktion der Perspektive Friedrich Wiecks zu.
In drei weiteren Abschnitten erörtert sie die Aufnahme des Streites in der Öffentlichkeit und in privaten Bereichen, wobei sie überzeugend Zeitabschnitte bildet. Dabei verfolgt sie besonders die Prägungen des Images Friedrich Wiecks durch Robert Schumann. Zum Abschluss ergänzt sie das bestehende Wieckbild auf Grund ihrer Forschungen und bewertet die Stellung Friedrich Wiecks dahingehend neu, dass der Vater die berufliche Selbstverwirklichung seiner Tochter über die zeitgenössische Bestimmung der Frau zur Ehegattin und Mutter stellte und damit zugleich als Förderer der Gleichstellung wirkte, wobei ihn seine Tochter dadurch unterlief, dass sie sich den zeitgenössischen Vorstellungen Robert Schumanns von der Rolle einer Frau unterwarf.
Die Arbeit verwertet die greifbaren rechtlichen Quellen umfassend und sachgerecht. Einiges wird im Anhang abgedruckt. Insgesamt bietet die Verfasserin auch eine für die Rechtsgeschichte aufschlussreiche Leistung.
Innsbruck Gerhard Köbler