Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, Helmut (= Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850 38). Lang, Frankfurt am Main 2005. 338 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die von Helmut Reinalter ins Leben gerufene und geführte, in der Zwischenzeit aufgelöste internationale Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770 bis 1848/49“ entwickelte berits vor rund 20 Jahren einen Schwerpunkt über Sozietäten, politische Vereine und Parteien in Mitteleuropa von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/1849. Eine erste wissenschaftliche Projektkonferenz befasste sich von dort aus 1991 mit dem Thema Aufklärungsgesellschaften. Ihre Ergebnisse wurden 1993 veröffentlicht.
Der vorliegende Band enthält die Vorträge, die im Rahmen einer zweiten internationalen Tagung an der Universität Innsbruck vom 26. bis 28. Oktober 2001 gehalten wurden. Veranstalter waren die geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck und die human- und literaturwissenschaftliche Fakultät der Universität Franche-Comté in Besançon, mit denen einige weitere Einrichtungen kooperierten. Vorrangig ging es um den politischen Aspekt der Vereine, Gesellschaften und politischen Parteien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, um deren Ideologie, politische Zielsetzung, Programmatik und Sozialstruktur, Organisationsform und Wirkung.
Insgesamt enthält der Band 14 Beiträge. Er beginnt mit Forschungsperspektiven zur Einführung. Sie entwickelt Otto Dann unter dem Titel Die Anfänge politischer Vereinsbildung in Deutschland an Hand der Forschungen und der neuen Literatur zwischen 1976 und 2002.
Es folgen zehn notwendigerweise vielfach punktuelle Einzeluntersuchungen über politische Vereine, Freimaurerlogen und Gesellschaften. Sie betreffen politische Turnvereine, die russische Freimaurerei, den Bund der Geächteten und den Bund der Gerechtigkeit, die Demagogie, die mährisch-schlesische Ackerbaugesellschaft, die Polenvereine, den Press- und Vaterlandsverein von 1832/33, Frauenvereine und Männervereine, den Zofingerverein und die ersten Jahre des Grütlivereins. Im Detail erbringen sie viele interessante Einzelerkenntnisse.
Den Beschluss bilden drei Studien zu den politischen Vereinen in der Revolution 1848/49, wobei Jürgen Engelmann mit den Bürger- und Volksversammlungen als Trägern der bürgerlich-antifeudalen Opposition und Kristallisationspunkten der liberalen und demokratischen Parteien in Preußen am Vorabend der Revolution beginnt. Hans Fenske behandelt die politischen Vereine in der Revolution. Wolfgang Häusler betrachtet Wiener Demokraten zwischen bürgerlicher Revolution und sozialer Demokratie.
Insgesamt wird damit eine bedeutsame geschichtliche Fragestellung aufgegriffen und zu neuen Ergebnissen geführt. Nicht gänzlich unerwartet fehlt leider ein erschließendes Sachregister. Gleichwohl wird jeder parteiengeschichtlich und verfassungsgeschichtlich Interessierte durch die sorgfältige Lektüre in verschiedenster Weise bereichert werden.
Innsbruck Gerhard Köbler