Passek, Iris Kristina, Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen. Historische Entwicklung und aktuelle Probleme (= Frankfurter kriminalwissenschaftliche Studien 76). Lang, Frankfurt am Main 2003. 299 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Ulfrid Neumann angeregte und betreute, 2002 von der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie befasst sich mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in schwerwiegenden Staatsschutzstrafsachen mit Revisionsmöglichkeit zum Bundesgerichtshof, nach der sowohl in der Tatsacheninstanz wie auch in der Rechtsmittelinstanz Spruchkörper ohne Laienbeteiligung entscheiden. Sie gliedert ihre mit den vielfältigen, aus dieser Besonderheit erwachsenden Fragen befasste Untersuchung in einen historischen Teil und einen dogmatischen Teil.

 

Ihr geschichtlicher Überblick über die Handhabung der sogenannten „politischen Delikte“ beginnt mit den Zuständigkeitsänderungen von der Zeit des Liberalismus bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, wobei die Einführung der Schwurgerichte im Mittelpunkt steht. Es folgen Änderungsvorschläge nach Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877/18979, die Errichtung politischer Sondergerichte, Zuständigkeitsverschiebungen und die Abschaffung der Schwurgerichte durch die Verordnung vom 4. Januar 1924 und die politischen Prozesse während der nationalsozialistischen Herrschaft, unter welcher der Volksgerichtshof geschaffen wurde. In der Bundesrepublik Deutschland führen die Kapitel 5-7 über das Strafrechtsänderungsgesetz 1951, die Einführung einer zweiten Instanz für Staatsschutzstrafsachen auf Grund des achten Strafrechtsänderungsgesetzes und die Reformen des Strafverfahrensrechts bis zum Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus vom 19. Dezember 1986.

 

Die heutige Handhabung der Staatsschutzdelikte und die damit verbundenen Probleme gliedert die Verfasserin in vier Kapitel. Sie beginnt mit dem Anwendungsbereich der Katalogtaten des § 120 GVG, wendet sich dann den Besonderheiten des ius evocandi und des Bundessrechts sowie der Relevanz des Begnadigungsrechts zu und wägt danach die Vorteile und Nachteile einer Einführung von Laien an den Staatsschutzsenaten gegenüber der Gefahr berufsrichterlicher Ämterpatronage ab. Sie schließt mit der Diskussion um die vorrangige Zuständigkeit der oberlandesgerichtlichen Staatsschutzsenate vor den Jugendgerichten.

 

Im Ergebnis reicht nach ihrer begründeten Ansicht auch heute der Umkehrschluss aus der Existenz von Laien bei den landgerichtlichen Staatsschutzkammern für sich nicht aus, um eine Erweiterung der Staatsschutzsenate um Laien zu begründen. Umgekehrt lehnt sie nach ausführlicher Erörterung auch eine umfassende Zuständigkeitsübertragung auf die auch mit Laien besetzten Landgerichte ab. Auf der Grundlage der geschichtlichen Betrachtung legt sie deswegen verschiedene weniger weit reichende Reformvorschläge zur Verringerung der bestehenden Probleme vor.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler