Paar, Martin,
Die Gesetzgebung der österreichischen Monarchie im Spiegelbild der Normen und
der staatsrechtlichen Literatur (= Europäische Hochschulschriften 2, 4792). Lang,
Frankfurt am Main 2009. 276 S. Besprochen von Arno Buschmann.
Die vorliegende, von Günther Winkler
und Christian Neschwara betreute Wiener rechtswissenschaftliche Dissertation
beschäftigt sich mit einer Thematik, die in der bisherigen Forschung nicht oder
nur sporadisch behandelt worden ist, nämlich mit der Gesetzgebung und dem Gesetzgebungsrecht
in der cisleithanischen Verfassungsordnung der österreichischen Monarchie sowie
der Behandlung beider in der zeitgenössischen juristischen Literatur.
Der Verfasser beginnt seine
Untersuchung mit einer Schilderung der verfassungsrechtlichen Entwicklung von
1848 bis zur Verfassung von 1867 und danach bis zum Ende der Monarchie im Jahre
1918. Zu Recht sieht er in dieser Entwicklung die Grundlage für die Handhabung
des Gesetzgebungsrechts, dem für die Gesetzgebung wie überhaupt für die Verfassung
der österreichischen Monarchie eine zentrale Bedeutung zukam. Das Gesetz war
das entscheidende Herrschaftsinstrument, mit dem die monarchische
Herrschaftsgewalt jeweils ausgeübt wurde, mit dessen Hilfe sie aber zugleich
auch kanalisiert und vor allem kontrolliert werden konnte. Daher werden vom
Verfasser die einzelnen Stationen der Entwicklung von der Verfassung von 1848
über das Oktoberdiplom von 1860, die Reichsverfassung von 1861 bis zum Sistierungspatent
von 1865 skizziert, im Anschluss daran das Werden der Verfassung von 1867 in
den wichtigsten Abschnitten dargestellt und schließlich noch deren
Weiterentwicklung bis 1918 geschildert.
Den Hauptteil der Arbeit widmet der Verfasser
der Untersuchung der Gesetzgebungskompetenz von Reichsrat und Landtagen, dem
Verhältnis von Reichs- und Landesverfassung, vor allem aber dem
Gesetzgebungsverfahren im Reichsrat und in den Landtagen. Als wichtigen
Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens behandelt er neben den parlamentarischen
Beratungen die kaiserliche Sanktion und - abgesehen von der ministeriellen
Gegenzeichnung - die Kundmachung der Gesetze, durch die deren räumliche und
zeitliche Geltung bestimmt wurde. Eingehend erörtert er die Stellungnahmen der
älteren und neueren Staatsrechtslehre wie auch der verfassungsgeschichtlichen
Forschung zur Frage nach Umfang und Intensität der Gesetzgebungskompetenz und
gelangt nach Abwägung aller in der wissenschaftlichen Diskussion vorgebrachten
Argumente in einer eigenen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass es im
Reichsrecht eine gemeinsame Gesetzgebungskompetenz von Parlament und Monarch gab,
die diese gemeinsam ausübten und die folglich beiden als gemeinschaftlich zustehend
angesehen werden müsse. Im Zusammenhang mit der Frage nach der
Gesetzgebungskompetenz erörtert der Verfasser auch die von der zeitgenössischen
Rechtslehre wiederholt erhobene Forderung nach Errichtung eines
Verfassungsgerichtshofes, die freilich erst nach dem Ende der Monarchie in der
Verfassung der Republik Realität wurde. Ausführlich wird auch das
Notverordnungsrecht des Monarchen behsndelt, das zunächst in der Zeit von 1867
bis 1904 und danach vor allem während des Ersten Weltkrieges eine besondere
praktische Bedeutung erlangte. Auch hier werden, wie schon zuvor bei der Frage
nach der Gesetzgebungskompetenz, ausgiebig die in der rechtswissenschaftlichen
Diskussion geäußerten Stellungnahmen wiedergegeben. Auf eine eigene
Stellungsnahme zu den in der Diskussion behandelten Fragen hat der Verfasser hier
jedoch im Gegensatz zu seinen Erörterungen in der Frage der
Gesetzgebungskompetenz verzichtet.
Insgesamt bietet die Arbeit eine konzentrierte
Darstellung der Gesetzgebungsentwicklung und der Entwicklung des
Gesetzgebungsrechts in der österreichischen Monarchie von 1867 bis zu deren
Ende im Jahre 1918. Bei der Darstellung beschränkt sich der Verfasser allerdings
auf die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen und die Wiedergabe
der zeitgenössischen wie der verfassungsgeschichtlichen Diskussion und
verzichtet auf deren Einordnung in den allgemeinen Rahmen der geschichtlichen
Entwicklung, so dass die Darstellung zu einer rein juristischen Erörterung
wird, bei der die zugrunde liegende politische wie die geistige und soziale
Entwicklung, aber auch die Anknüpfung an die verfassungsgeschichtliche
Tradition etwa des Alten Reiches, die sich vor allem bei der Handhabung des
Sanktionsrechtes durch den Monarchen zeigt, unberücksichtigt bleiben. Indessen
sollen diese Bemerkungen nicht den Wert der Arbeit, die sich vor allem durch
eine präzise juristische Diktion auszeichnet, verkürzen. Der Verfasser hat mit
seiner Untersuchung einen wichtigen Beitrag zur Aufhellung der
Gesetzgebungsgeschichte der österreichischen Monarchie wie der Behandlung
dieser Materie in der staatsrechtlichen Literatur von 1867 bis zu zum Ende der
Monarchie im Jahre 1918 geleistet.
Salzburg Arno
Buschmann