Otto, Martin, Von der Eigenkirche zum volkseigenen Betrieb - Erwin Jacobi (1884-1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR. Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XVII, 453 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

 

Die Arbeit ist die von Michael Stolleis betreute, im Wintersemester 2006/2007 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation des 1974 geborenen, seit seinem zweiten Studiensemester weit über das Feld der Rechtsgeschichte hinaus geförderten, mit einer Doktorandenstelle am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte betrauten, seit 2007 als akademischer Rat an der Universität Bayreuth tätigen, über seinen Großvater mit Erkner bei Berlin verbundenen Verfassers. Sie ist die erste wissenschaftliche Biographie Erwin Jacobis. Im Bildnis stellt sie ihn im Eingang ansprechend vor.

 

Gegliedert ist die Arbeit in insgesamt sieben Teile. Sie folgen entsprechend der geschichtlichen Entwicklung chronologisch aufeinander. Dabei zerfallen sie nochmals in siebenundzwanzig Kapitel.

 

Die Untersuchung beginnt mit einer späten Kontroverse. Nach ihr wird Erwin Jacobi von nahezu allen Zeitgenossen als harmonisierende Integrationsfigur geschildert. Gleichwohl wird ihm auch kritisch begegnet, so dass eine eigenständige Untersuchung um so mehr gerechtfertigt erscheint.

 

Erwin Jacobi wurde in Zittau am 15. 1. 1884 als Sohn des Warenhauseigentümers Jacobi am Markt geboren. Ursprünglich waren die Jacobis jüdische Textilkaufleute in Pfaffendorf bei Beeskow in der Mark Brandenburg. 1872 zog der Vater nach Zittau, eröffnete 1880 ein Wäschegeschäft und heiratete 1882 die Tochter eines seit 1860 in der Lausitz ansässigen englischen Fabrikdirektors, die ihre vier Kinder evangelisch erziehen ließ.

 

1903 begann Erwin Jacobi auf Druck der Eltern das Studium der Rechtswissenschaft in München, wechselte aber 1904 nach Leipzig. Am 23. Dezember 1907 wurde er bei Emil Friedberg, an den ihn ein Freund empfohlen hatte, über den Einfluss der Exkommunikation und der delicta mere ecclesiastica auf die Fähigkeit zum Erwerb und zur Ausübung des Patronatsrechts promoviert. Im Juli 1912 wurde er, sich als Schüler Rudolf Sohms verstehend, in Leipzig habilitiert und auf Grund eines am 29. 7. 1911 mit Ulrich Stutz in Bonn aufgenommenen Kontakts von diesem gefördert.

 

Danach war Erwin Jacobi ständiger Hilfsarbeiter am Instituts für Rechtsgeschichte Adolf Wachs. Zum 1. 4. 1916 wurde er auf das planmäßige Extraordinariat für Verwaltungsrecht und sächsisches Staatsrecht berufen. Zum 1. 1. 1920 wurde er ordentlicher Professor in Greifswald, kehrte aber wenig später nach Leipzig zurück, wo er im Sommersemester 1921 Direktor den neuen Instituts für Arbeitsrecht wurde.

 

In der Folge wirkte er mit Carl Schmitt zusammen. Gemeinsam vertraten sie die Ansicht, dass es dem Reichspräsidenten nicht erlaubt sei, unter Berufung auf das Notverordnungsrecht formelle Gesetz zu erlassen, obwohl die herrschende Lehre ein reichsgesetzvertretendes Notverordnungsrecht anerkannte. Zusammen mit Carl Schmitt und Carl Bilfinger vertrat Jacobi dann die Reichsregierung auch im Rechtsstreit Preußen gegen das Reich vor dem Staatsgerichtshof wegen des Preußenschlags.

 

Nach Hans Thieme fiel Carl Schmitt 1933 Erwin Jacobi in den Rücken. Nach Friedrich Kühn wurde am 9. 10. 1933 gegen Jacobi entschieden. Zum 1. 11. 1933 wurde seine Versetzung in den Ruhestand auf Grund des Berufsbeamtengesetzes gemeldet, wobei der Professorentitel fortgeführt werden durfte und ein Ruhegehalt von 80 Prozent des Einkommens fortgewährt wurde, doch änderte dies nur wenig an der erzwungenen inneren Emigration.

 

Nach Ende des zweiten Weltkriegs konnte Jacobi in der sowjetischen Besatzungszone seine Tätigkeit in Leipzig wieder aufnehmen. 1947/1948 wurde er sogar als Nachfolger Hans-Georg-Gadamers zum Rektor gewählt. Gleichwohl war die anschließende Zeit von der Entscheidung zwischen Anpassung oder Nischenexistenz, von umstrittenen Veröffentlichungen, von verdeckter Kritik, und von Versuchen zur Bewahrung von Resten bürgerlichen Rechtsdenkens gekennzeichnet.

 

Im Ergebnis sieht die sorgfältige, überzeugende Arbeit Jacobis Biographie aus heutiger Sicht als interessanter als sein Werk, weil die meisten der Veröffentlichungen stark zeitgebunden sind. Nach Kritikern erkannte Jacobi zwar die Fragen, zog aber die falschen Schlüsse. Gleichwohl verdient er als Kirchenrechtler und als einer der bekanntesten Vertreter des öffentlichen Rechts und des Arbeitsrechts zwischen 1918 und 1933 durchaus angemessene Aufmerksamkeit.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler