München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven, hg. v. Seibert, Hubertus/Schmid, Alois. Beck, München 2008. XVI, 463 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 14. Juni jeden Jahres feiern die Münchener ein Fest zur Erinnerung an die Anfänge ihrer Stadt unter Herzog Heinrich dem Löwen, obgleich München seine Entstehung keinem solchen planmäßigen Gründungsakt verdankt. Am Beginn Münchens stand vielmehr Heinrichs Anlage eines neuen Markts an einem günstigen Übergang über die Isar. Die Einigung in dem daraus entstehenden Streit zwischen dem Bischof Otto von Freising und dem Herzog von Bayern und Sachsen bestätigte Kaiser Friedrich Barbarossa in seiner in Augsburg am 14. Juni 1158 ausgestellten Urkunde, in der das forum Munichen erstmals genannt wird.
Den 850. Jahrestag diesen Geschehens nahm der Stadtrat von München zum Anlass für ein großes Bürgerfest. Am Beginn von mehr als dreihundert Veranstaltungen stand eine wissenschaftliche Tagung, die das historische Seminar der Universität München. die Kommission für bayerische Landesgeschichte, die Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns und das Stadtarchiv München vom 10. bis 12. März 2008 im internationalen Begegnungszentrum der Wissenschaft München e. V: veranstalteten, um den derzeitigen Forschungsstand kritisch zu bilanzieren und zentrale Probleme der Frühzeit Münchens aus neuen und interdisziplinären Perspektiven aufzugreifen und fruchtbare Neuansätze zu wagen. Die dort gehaltenen Vorträge zu fünf Themenschwerpunkten wurden ungewöhnlich rasch im Druck vorgelegt.
Den Grund legen dabei Topographie und Archäologie. Hiervon bietet Christian Behrer neueste Ergebnisse der Stadtarchäologie, die zeigen, dass die Münchener Schotterebene schon seit der Bronzezeit eine bedeutende Rolle im Fernhandel von Süd nach Nord spielte, dass das Gebiet bereits seit dem 8. Jahrhundert fiskalisch dicht besiedelt war, dass sich bei der heutigen Salvatorstraße 14 Funde der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wenn nicht vielleicht sogar des 11. Jahrhunderts ermitteln ließen, dass aber bisher keine Beweise für eine präurbane Keimzelle des munichen deutlich vor 1158 erbracht werden konnten und dass das mittelalterliche München in den ersten 300 Jahren seines Bestehens keinen umfassenden Veränderungen ausgesetzt war. Christine Rädlinger beschreibt Münchens verkehrstopographische Lange an Hand der Verkehrswege und Isarübergänge.
Hinsichtlich der Kirchen und Klöster befasst sich Gertrud Thoma mit den Interessen und Herrschaftsrechten der Bischöfe von Freising im Münchener Raum, während Richard Bauer wegen des Ortsnamens nach Beziehungen zwischen Schäftlarn und München sucht. Roman Deutinger erläutert den Rechtsstreit um München und Föhring von 1158 und 1180, während Hans-Georg Hermann München in das Gefüge der bayerischen Stadtrechtsentwicklung stellt und Gottfried Mayr die Ministerialität im Raum München untersucht. Mit König, Herzog und Adel befassen sich Jürgen Dendorfer (Von den Babenbergern zu den Welfen), Christof Paulus (Pfalzgraf Friedrich II. von Wittelsbach) und Hubertus Seibert (frühe Wittelsbacher), mit Markt und Stadt Lorenz Maier (personale Netzwerke), Alois Schmid (landesherrliche Städtepolitik) und Andrea Briechle (forum und civitas).
Zusammenfassende Schlussbetrachtungen unternimmt Ferdinand Kramer. Ein recht umfangreiches Register erschließt den Band. Insgesamt liefert der Band ein den festlichen Erwartungen durchaus entsprechendes Gesamtergebnis, auf dem die weitere Suche nach den bisher nicht entschlüsselten Geheimnissen der Hauptstadt mit Herz zuverlässig aufbauen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler