Meder, Stephan, Rechtsgeschichte, 3. Auflage (= UTB 2299). Böhlau, Köln 2008. 465 S. Besprochen von Theodor Bühler.

 

Die „Rechtsgeschichte“ Stephan Meders ist in der dritten Auflage erschienen. Die erste Auflage erschien 2002, die zweite 2005. Auf nicht ganz 500 Seiten erfasst sie die Rechtsgeschichte von der Römischen Republik bis zur Gegenwart. Dieser Konzision verdankt die Monographie ihren Erfolg. Zudem überwindet sie die Trennung zwischen römischer und germanistischer Rechtsgeschichte.

 

Die Römische Rechtsgeschichte wird aufgeteilt in die drei Epochen, die Republikanische, die Klassische und die Nachklassische Periode. Innerhalb der Darstellung der Rechtsgeschichte im eigentlichen Sinn wird der Ursprung einzelner Institutionen eingeflochten, so des Kaufes (Seite 17) im Rahmen der Geschichte der zwölf Tafeln. Jedem Kapitel folgt ein entsprechendes Literaturverzeichnis.

 

Ausführlicher als dies im letzten und vorletzten Jahrhundert der Fall war, wird die republikanische Zeit gewürdigt. So kommen nicht nur schriftliche Rechtsquellen zur Sprache, sondern es werden die Rituale der sogenannten Libralakte (mancipatio und nexum) sowie die stipulatio geschildert und ausgelegt. Behandelt werden aber auch die manus- und die usus-Geschäfte, die patria potestas und der Vergleich. Im Abschnitt mit dem bezeichnenden Titel „Die Entstehung des Rechts aus der Gewalt“ (S. 33-39) vertritt der Verfasser die Meinung, dass von Recht erst gesprochen werden könne, wenn die Organisationsform eines Dritten auftritt, beziehungsweise wenn sich andere Menschen mit dem Konflikt befassen, die nicht im engen Sinne Partei sind (S. 33). Diese Auffassung führt dazu, die Fehde als „unrechtmäßig“ zu qualifizieren, soweit sie nur zwei Parteien betrifft und widerspricht Franz Wieackers Auffassung, wonach das Recht erst mit der Schriftlichkeit entstanden ist, was sich schon daraus ergibt, dass man das Ritual als rechtliches Kommunikationsmittel anerkennt. Besonders aufschlussreich ist deshalb das zweite Kapitel „Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Römischen Rechtskultur“. Kanon in der „Altrömischen“ Zeit waren die damals verschriftlichten 12 Tafeln, deren Normen durch Auslegung zuerst durch die Pontifices und dann durch die Juristen weiterentwickelt wurden. Als Beispiel wird die Emanzipation angeführt, die eine „Umkehrung“ der mancipatio darstellt, indem der zu emanzipierende Sohn durch Mehrverkauf mündig wird. Eine weitere Entwicklung der mancipatio ist auch die in jure cessio.

 

Der Verfasser erhebt die enge Beziehung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht im altrömischen Recht hervor, dessen Erforschung immer noch ein Desiderat bleibt (S. 51). Das jus gentium ist nicht Völkerrecht, sondern römisches Recht, das auf Fremde und Römer sowie später teilweise auch bei Streitigkeiten unter Römern angewendet wird.

 

Durch den Einfluss der Juristen werden die Förmlichkeiten immer mehr abgebaut. Typisch ist die Tradition, wofür nunmehr die Justa causa genügt.

 

Reminisenz an die Mündlichkeit war der Grundsatz „alteri stipulari nemo potest“ (weil Stipulationen nur unter anwesenden Parteien möglich war), der sich dann als für die Fortentwicklung hinderlich erwies.

 

Das Prinzipat war ein Zwischengebilde, das Elemente sowohl der Republik als auch der Monarchie enthielt. Um die wahren „monarchischen“ Machtverhältnisse zu verschleiern, wurde der princeps Augustus und nicht Romulus, der zu sehr an das Königtum erinnert hätte, genannt. Indem Octavian (Augustus) den hervorragenden Juristen das Jus respondendi gewährte, schuf er die Grundlagen für die von Savigny so geschätzten römischen Jurisprudenz. Neben den Responsen gibt es im Prinzipat eine Fülle anderer unterschiedlicher Rechtsquellen, worunter die kaiserlichen Reskripte immer gewichtiger wurden. Jus non scriptum ist nicht gleich Gewohnheitsrecht, sondern Recht, das nicht in einem Rechtsakt entstanden ist. Daher ist auch das Juristenrecht Jus non scriptum, dagegen ist der Vertrag „Jus scriptum“.

 

Das „altrömische Recht“ nimmt in dieser Besprechung eine unverhältnismässige Breite. Dies ist nicht von ungefähr, denn dieser Teil des zu besprechenden Werkes ist nicht nur der innovativste, sondern er präjudiziert in methodischer Hinsicht auch das Verständnis des sogenannten deutschen Rechtes.

 

Konzis, aber einleuchtend wird das Lehnswesen dargestellt und als Hypothese ihr Ursprung auf die bereits von Tacitus beschriebene germanische Gefolgschaft zurückgeführt. Dennoch halte ich die Quellen des Lehnswesens für vielfältiger; einmal war sicher Vorbild das römische Verhältnis zwischen ehemaligem Herren und Freigelassenem, dann war das Bedürfnis der Zeitgenossen nach Schutz vor Fehde und Krieg, das dazu führte, dass der Schutzsuchende sich in die Abhängigkeit eines „starken“ Schutzherren begab, von großer Bedeutung. Parallel dazu empfahl sich die Kirche als Friedensstifterin, was zum Gottesfrieden führte, der dann in die Form des Landfriedens säkularisiert wurde. Da die Landfrieden von den Betroffenen beschworen werden mussten, gab sich daraus eine Schwurgemeinschaft. Mit der Zeit wurden diese Schwurgemeinschaften so stark, dass sie des Schutzes eines Schutzherren entbehren konnten, sodass das Lehensverhältnis zu Gunsten der emanzipierten Städte zurück trat. Der Zusammenhang des Landfriedens mit dem Städtewesen kommt in der besprochenen Arbeit zu kurz. So findet die plötzliche städtische Verbandsbildung (S. 218) keine einleuchtende Erklärung, womit der Verfasser sich in bester Gesellschaft befindet. Zu kurz kommt auch das in den Weistümern verurkundete ländliche Recht und damit die ländliche Wirtschaftsgemeinschaft. Dagegen werden das gelehrte Recht und insbesondere die sogenannte Rezeption des römischen Rechts und ihre Fortentwicklung ausführlich dargestellt. Bemerkenswert dabei ist die herausragende Stellung, die der Verfasser Ulrich Zasius (S. 226ff.) zuweist.

 

Zu kurz geraten ist auch die Darstellung des Naturrechts und der Naturrechtsschule. Nur Grotius und die deutschen Naturrechtler werden in Betracht gezogen. Die Bedeutung der spanischen und der französischen Vorläufer findet keine angemessene Würdigung. Mit der naturrechtlichen Kodifikationen wird die Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts eingeläutet. Dass hierfür nur punktuelle Darstellungen und nur einzelne Persönlichkeiten (Savigny, Jhering, Bernhard Windscheid) gewürdigt werden, ist dem Verfasser nicht zu verargen. Das 19. Jahrhundert ist für die Rechtsgeschichte derart wichtig, dass hierfür eine eigene, wohl mehrbändige Monographie nötig wäre - so umfasst das Handbuch 4 Bände. Dass für deutsche Studenten die Geschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Vordergrund stand, ist selbstverständlich. Dennoch wird auch die Entstehung des schweizerischen Zivilgesetzbuches gewürdigt. Bezeichnenderweise beschränkt sich die Darstellung des Handelsrechts auf die Geschichte der Handelsgesetzbücher. Dass im 19. Jahrhundert die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entdeckt und weiterentwickelt wurden, vermisst man in der besprochenen Monographie, was aber nicht verwunderlich ist, da die Geschichte der handelsrechtlichen Institutionen immer noch stark vernachlässigt bleibt.

 

Schließlich wird der sogenannten Zeitgeschichte ein breiter Raum gewidmet. Sie wird eingeleitet durch einige grundsätzliche Fragen, wie formales und materielles Recht und Methodenstreit, um dann mit dem nationalsozialistischen und dem „Recht“ der DDR fortzufahren. Am Schluss wird die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik und im vereinigten Deutschland zusammengefasst.

 

Trotz einzelner Lücke ist die Rechtsgeschichte Stephan Meders äußerst anregend und originell. Wenn sich auch der Verfasser überall eines plausiblen und einfachen Stils befleißigt, darf die Frage gestellt werden, ob der Student durch die hochstehenden behandelten grundsätzlichen Fragen nicht überfordert ist. Dies aber spricht für die herausragende Qualität dieser Rechtsgeschichte.

 

Zürich                                                                         Theodor Bühler