Konfessionalität und Jurisprudenz in der frühen Neuzeit, hg. v. Strohm, Christoph/de Wall, Heinrich (= Historische Forschungen 89). Duncker & Humblot, Berlin 2009. VIII, 443 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach allgemeiner Ansicht sind die Sollenssysteme Religion und Recht in ihren Anfängen nahe verwandt. Im Laufe der Geschichte haben sie sich freilich stärker voneinander verselbständigt. Gleichwohl ist die Frage berechtigt, ob und, wenn ja in welcher Weise konfessionelle Orientierungen in der frühneuzeitlichen Jurisprudenz einen Niederschlag gefunden haben.

 

Zur Beantwortung ist in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden vom 12. bis 14. Oktober 2006 ein von der Johannes-Althusius-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit einem an der Johannes a Lasco-Bibliothek angesiedelten und im Rahmen des Forschungsprogramms Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus durchgeführten Forschungsprojekt über Recht und Jurisprudenz im Bereich des reformierten Protestantismus 1550-1620 ein internationales Symposium veranstaltet worden. Dabei bestand Einigkeit, dass die sich formierenden Konfessionen bei deren Entstehung des frühmodernen Staates eine wichtige Rolle gespielt und bei der Sozialdisziplinierung, mentalen Kontrolle und Verdichtung von Staatlichkeit mitgewirkt haben. Vor diesem Hintergrund sollte jedoch genauer gefragt werden, ob bei aller funktionalen Gleichheit nicht doch auch kennzeichnende Unterschiede der lutherischen, reformierten und tridentinisch-katholischen Konfession in ihrem Beitrag zur Gestaltung der Moderne festzustellen sind.

 

Insgesamt enthält der Band 17 Beiträge. Eröffnet werden sie von Christoph Strohm vom Wissenschaftlich-Theologischen Seminar der Universität Heidelberg als einem der Herausgeber. Er bietet vorweg Fragestellungen, methodische Probleme und (vier) Hypothesen hinsichtlich der konfessionellen Einflüsse auf das Werk reformierter Juristen.

 

Danach beschäftigt sich Isabelle Deflers mit Konfession und Jurisprudenz bei Melanchthon, während Ralf Frassek die Konstituierung eines evangelischen Eherechts in Kursachsen verfolgt. Hans Hattenhauer ermittelt, was die Reformatoren vom Recht sangen. Thomas Maissen stellt souveränen Gesetzgeber und absolute Macht im Vergleich von Calvin, Bodin und der mittelalterlichen Tradition dar.

 

Robert von Friedeburg erarbeitet Bausteine widerstandsrechtlicher Argumente in der frühen Neuzeit (Konfessionen, klassische Verfassungsvorbilder, Naturrecht, direkter Befehl Gottes, historische Rechte der Gemeinwesen). Dieter Wyduckel greift das Verhältnis von Konfession und Jurisprudenz bei Johannes Althusius auf, Katharina Odermatt das Berufs- und Amtsverständnis, Diego Quaglioni Judentum und Toleranz und Christian Hattenhauer die Systematisierung der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung.

 

Lucia Bianchin setzt Zensur und reformierte Jurisprudenz in Beziehung. Massimo Meccarelli verwertet lex und iurisdictio aus der spanischen Spätscholastik. Mathias Schmoeckel sucht unter der Sünde des Naturrechts aus römisch-katholischer Sicht nach Perspektiven einer protestantischen Rechtsquellenlehre.

 

Christoph Link beschreibt die Herrschaftsbegründung und Kirchenhoheit bei Hugo Grotius, Merio Scattola die Auseinandersetzung um die Verfassung des Heiligen römischen Reiches. Den Zusammenhang von Luthertum und theokratischer Theorie überprüft Heinrich de Wall. Schließlich hält Detlef Döring die Wirkungen des konfessionellen Denkens auf das juristische Werk Samuel von Stryks fest.

 

Eine eigene Zusammenfassung der vielfältigen Einzelergebnisse des bedeutenden interdisziplinären Gesprächs fehlt. Geboten wird nur ein Personenverzeichnis von Accursius bis Zwingli. Gleichwohl scheinen gewichtige Fragen an vielen Stellen verstärkter Klärung zugeführt.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler