Jhering, Rudolf von, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, neu hg. v. Leitner, Max. Linde, Wien 2009. 383 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

 

Scherz und Ernst sind im menschlichen Leben vielfach vorhanden, wenn auch ungleichmäßig verteilt. Auf dem Gebiet der Jurisprudenz überwiegt der Ernst, weil das Recht nur die Gewalt im Kampf der Individuen um ihre optimale persönliche Existenz ersetzt. Aus diesem Grund erweckt der seltene Scherz in der Rechtswissenschaft wie von selbst die Neugierde der lesenden Öffentlichkeit.

 

Dies war dem vitalen, genussfreudigen, anregbaren wie reizbaren Rudolf „Caspar“ Jhering, der das große Publikum nicht nur suchte, sondern als einer der wenigen Fachjuristen aller Zeiten durch echte Vorzüge seiner Schriften wie durch Einverständnis mit dem Zeitgeist auch fand, wohl bewusst, als er in Göttingen 1884 den Scherz dem Ernst in der Jurisprudenz in einer Veröffentlichung voranstellte. Eine Weihnachtsgabe für das juristische Publikum benötigte außer einem ansprechenden Inhalt auch einen anreizenden Titel. War er gefunden, konnte es nicht wirklich schaden, dass sich hinter ihm sechs aus Gießen anonym veröffentlichte vertrauliche Briefe über die heutige Jurisprudenz aus den Jahren 1860 bis 1866 in der preußischen bzw. deutschen Gerichtszeitung, 1880 in den österreichischen juristischen Blättern publizierte Plaudereien eines Romanisten, etwa 1884 erschaute Träume im juristischen Begriffshimmel und (Träume) wieder auf Erden. Wie soll es besser werden? verbargen.

 

Dementsprechend erfuhr die Sammlung vierer scherzhafter wie ernsthafter Überlegungen, von denen nach den Worten des Verfassers die drei ersten dem Scherz gewidmet sind, innerhalb von vierzig Jahren 13 Auflagen, obwohl der 1818 geborene Verfasser bereits 1892 im Alter von 73 Jahren gestorben war. Obgleich dabei der Scherz nach Ansicht Jherings im Wesentlichen nur dazu da war, den Ernst um so wirksamer zu machen, fand das Werk fast so viel Aufmerksamkeit wie des Verfassers Kampf ums Recht oder seine Zivilrechtsfälle ohne Entscheidungen. Möge sich die Hoffnung des seit 2000 am Institut für Zivilrecht der juristischen Fakultät der Universität Wien tätigen Herausgebers, dass auch 125 Jahre nach der Veröffentlichung Jherings Überlegungen durch Umsetzung von der Frakturschrift des Originaldrucks in ein modernes Schriftbild neue Leser finden, mindestens ebenso erfüllen wie der Wunsch, dass den beibehaltenen ursprünglichen Druckfehlern keine neuen wie vielleicht „Chauffeegraben“ oder „feine Schrift“ hinzugefügt wurden, damit auch in Zukunft nicht nur aus Gießen und Göttingen, sondern auch aus Wien um „wo wirksamere“ Folgen der durchaus auch nur zeitbedingten Scherze des berühmten Rudolf von Jhering eintreten können.

 

Innsbruck                                                                                Gerhard Köbler