Irrlitz, Gerd, Rechtsordnung und Ethik der Solidarität. Der Strafrechtler und Rechtsphilosoph Arthur Baumgarten (1884-1966). (= Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderband 22). Akademie Verlag, Berlin 2008. 409 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Arthur Baumgarten, dem sich der Berliner Philosoph Gerd Irrlitz verdienstvollerweise erstmals monographisch annimmt, wurde in Königsberg am 31. März 1884 als Sohn des Anatomen, Pathologen und Bakteriologen Paul Baumgarten und seiner aus einer schottischen Familie stammenden Ehefrau geboren und wechselte mit dem Vater 1890 nach Tübingen. In Tübingen, Genf und Leipzig studierte er Rechtswissenschaft und Philosophie und legte 1907 die erste juristische Staatsprüfung ab. 1909 promovierte er bei Franz von Liszt in Berlin über die Lehre von der Idealkonkurrenz und der Gesetzeskonkurrenz.

 

Noch im gleichen Jahr wurde er auf Grund dieses Werkes als außerordentlicher Professor für Strafrecht nach Genf berufen. Elf Jahre später wechselte er nach Köln auf eine Professur für Strafrecht und Rechtsphilosophie, 1923 nach Basel und 1930 nach Frankfurt am Main. In Ablehnung des Nationalsozialismus gab er im Sommer 1933 seine Professur im Deutschen Reich auf und kehrte als Honorarprofessor nach Basel zurück.

 

Von hier aus unternahm er 1935 eine Studienreise in die Sowjetunion, die ihn fortan mit der Kommunistischen Partei in Verbindung brachte. 1944 beteiligte er sich an der Gründung der Partei der Arbeit in der Schweiz. 1946 übernahm er, der nicht nach Frankfurt am Main zurückberufen wurde, eine Gastprofessur in Leipzig, wurde 1948 als ordentlicher Professor an die Universität Berlin berufen und 1962 zum Präsidenten der deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft bestimmt und blieb trotz der erworbenen Schweizer Staatsbürgerschaft aus Überzeugung bis zu seinem Tod am 27. 11. 1966 in der Deutschen Demokratischen Republik.

 

Durchdrungen war der Rechtsphilosoph Baumgarten von der Vorstellung, dass die Philosophie die gesellschaftliche Wirklichkeit verändern könne. Unter Aufgabe der ursprünglichen Ablehnung des Marxismus versuchte er, den Sozialismus mit den Zielsetzungen der Aufklärung zu verbinden. Zu diesem Zweck erklärte er den Sozialismus zur besten Gesellschaftsform für die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit.

 

Eher kurz beschreibt der Verfasser im ersten Kapitel Herkunft und ungewöhnlichen Lebensweg. Dem folgt ein Überblick über die 23 selbständigen Schriften und 118 Aufsätze und Abhandlungen. Als Leitideen des nicht leicht einer gewissen Strömung zuzuordnenden Gelehrten ermittelt der Verfasser einen sensualistischen Pragmatismus, einen neuen Idealismus mit erfahrungswissenschaftlicher Metaphysik und den Marxismus bzw. Sozialismus.

 

Ausführlich erörtert das zweite Kapitel die Philosophie des Strafrechts. Noch gründlicher geht das dritte Kapitel auf die Rechtsphilosophie ein. Insgesamt versteht der Verfasser die unterschiedlichen Werke als aufeinander bezogene und einander bedingende Konzepte in der Überzeugung, dass sozialer Liberalismus auch im Zeitalter hochindustrieller Zivilisation neue Aktualität zu erlangen vermag.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler