Ioriatti Ferrari, Elena, Codice civile europeo. Il dibattito, i modelli, le tendenze (= Dipartimento di scienze giuridiche Università di Trento 54). CEDAM, Padua 2006. XI, 340 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Eine europäische Kodifikation des Vertragsrechts existiert bis heute noch nicht, und ob das ehrgeizige Projekt eines europäischen Vertragsgesetzbuchs in den nächsten Jahren überhaupt verwirklicht werden kann, scheint heute, wenigstens nach Ansicht des Rezensenten, eher fraglich zu sein. Wir haben allerdings bereits ein Buch zum Thema. Die Verfasserin, Mitarbeiterin der Rechtsfakultät der Universität Trient, will die Debatte, die Vorschläge und die Entwicklungstendenzen zu den derzeitigen Plänen einer europäischen Kodifikation des Zivilrechts aufzeigen. Das Werk gliedert sich in sechs Kapitel. Ein erstes Kapitel „Il dibattito sulla codificazione civile europea“ (S. 17-46) führt in die allgemeine Thematik ein, wobei die unterschiedlichen Standorte der Diskussion kurz aufgezeigt werden. Ein zweites Kapitel „Il codice civile europeo alla luce della codificazione nazionale“ (S. 47-116) ist der Geschichte des Problems gewidmet. Die Darstellung führt den Leser von der gemeinrechtlichen Tradition des Ius Commune über die Naturrechtszeit bis zu den modernen Kodifikationen des 20. Jahrhunderts. Deutlich wird hier, dass die Verfasserin nichts von den rechtshistorischen Versuchen hält, eine Angleichung der europäischen Privatrechtskultur am Vorbild der gemeinrechtlichen Tradition zu messen. Eine solche habe es, wenigstens nach Ansicht der Verfasserin, nur in Italien gegeben, aber keinesfalls gesamteuropäisch. Als Hauptquellen werden vornehmlich italienische Rechtshistoriker dazu zitiert. Ein drittes Kapitel „I formanti nella codificazione civile europea“ (S. 117-154) ist den institutionellen Diskussions- und Gesetzgebungsbeteiligten gewidmet. Ein viertes Kapitel „La competenza della comunità europea a codificare il diritto privato“ (S. 155-180) ist dem gemeinschaftsrechtlichen Problem gewidmet, ob und in welchem Umfang und vor allem auf welcher Rechtsgrundlage die Europäische Union nach der derzeitigen verfassungsrechtlichen Rechtslage überhaupt für eine Vereinheitlichung des Zivilrechts die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt. Ein fünftes Kapitel „Il codice civile europeo“ (S. 181-238) ist wiederum den unterschiedlichen Gesetzgebungsmodellen gewidmet, ob nämlich eine echte Kodifikation erwartet werden soll oder lieber ein Restatement des europäischen Vertragsrechts. Ein sechstes und letztes Kapitel „Diritto europeo dei contratti e giustizia sociale“ (S. 239-288) behandelt schließlich die rechtspolitische Komponente der derzeitigen Debatte, die Kodifikation des Vertragsrechts sei – so die Verfasserin – kein neutrales Unterfangen, sondern eine Aufgabe für die Politik. Die Verfasserin hat hier ganz offenkundig Sympathien für diejenigen Diskussionsbeteiligten, die in einer Kodifikation des Vertragsrechts eine Chance sehen, ein bestimmtes Modell von Sozial- und Wirtschaftspolitik durchzusetzen. Das Instrument des Vertragsrechts würde darin einen Weg zu einer gesamteuropäischen Sozialpolitik, vor allem im Interesse der Verbraucher, eröffnen, weg also von einem formalen und neoliberalen Verständnis der Privatautonomie.
Am Ende der Lektüre bleibt der Gesamteindruck ambivalent. Die Möglichkeit, die Grundthesen der Verfasserin nachzuvollziehen, wird empfindlich dadurch behindert, dass das Buch ein Übermaß an bibliographischen Nachweisen enthält. Der Umfang der Fußnoten und der darin enthaltenen Nachweise macht mehr als drei Viertel des gesamten gedruckten Textes aus. Manche Seiten bestehen ausschließlich aus Fußnoten. In manche Anmerkungen werden weitere Ausführungen und Verweise verlagert. Der Leser verliert dabei leicht die Übersicht. Trotz des Bemühens der Verfasserin, Vollständigkeit bei den Literaturnachweisen zu erreichen, scheint dies offenbar auch nicht gelungen zu sein. Die deutschsprachige Sekundärliteratur zum Thema, die durchaus beträchtlich ist, wird leider kaum erwähnt. Gerade zur Zuständigkeit der EU auf dem Gebiet der privatrechtlichen Gesetzgebung hätte die Verfasserin die Dissertation von Julia Strese, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft zur Privatrechtsangleichung im Binnenmarkt (Heidelberger Schriften zum Wirtschaftsrecht und Europarecht, Bd. 31), Baden-Baden 2006, sowie den wichtigen Beitrag von Ulrich G. Schroeter, Europäischer Verfassungsrecht und europäisches Privatrecht, in: ZEuP 2006, S. 515-551, eigentlich erwähnen müssen. Manches deutsche Zitat enthält zudem orthographische Fehler (vgl. S. 123, Fn. 21; S. 282, Fn. 167). Insgesamt gewinnt man gelegentlich den Eindruck, dass einem wesentlichen Teil der Nachweise in den Fußnoten ein rein kompilativer und additiver Charakter innewohnt. Ein Verzicht darauf hätte der Präsentation der Ideen der Verfasserin sicherlich eher genutzt. Am Ende der Lektüre bleibt der Leser in der Tat ratlos und hat mehr als eine Schwierigkeit, die tragenden und strategischen Thesen des Buches zu erkennen. Die Verfasserin beschreibt und zitiert zudem in etwas einseitiger Weise. So kommen die verbraucherrechtliche Literatur, die derzeitige Debatte zu einem europäischen Gemeinschaftsprivatrecht, nicht zuletzt eine Vielzahl von deutschen Beiträgen aus den letzten Jahren, übrigens auch des Rezensenten, überhaupt nicht in den sonst überfüllten Fußnoten vor. Der Rezensent hat im Ergebnis nicht den Eindruck gewonnen, dass die hier angezeigte Monographie einen wesentlichen Beitrag zur derzeitigen Debatte zur Angleichung des europäischen Vertragsrechts geleistet hat. Sie stellt nur einen neuen Titel zu der bereits immensen Literatur, die sich inzwischen auf diesem Gebiet gesamteuropäisch angesammelt hat, dar.
Saarbrücken Filippo Ranieri