Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Studt, Birgit (= Städteforschung A, 69). Böhlau, Köln 2007. 166 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Sammelband vereinigt insgesamt sechs Studien überwiegend zu Familienbüchern. Er wird eröffnet durch eine Einführung der Herausgeberin. Ein Index der Orts- und Personennamen von Alberti bis Zwingli erschließt seinen Inhalt.

 

Die Einführung geht von der mittelalterlichen Stadtgemeinschaft als Erinnerungsgemeinschaft aus, die ihr Selbstverständnis aus geschichtlicher Erinnerung bezieht und sich um deren Tradierung bemüht. Zu den sie speisenden unterschiedlichen Quellen zählen neben der offiziellen Stadtchronistik auch die privaten Aufzeichnungen. Angestoßen von einer Sektion über House books in the late medieval urban society des 11. International Medieval Congress in Leeds sollen hier die verschiedenen Strategien untersucht werden, mit denen der Anspruch auf eine exklusive politische oder gesellschaftliche Stellung in der Stadt nachgewiesen wurde.

 

Im ersten Beitrag deutet die Herausgeberin die Sammlung familiengeschichtlicher Nachrichten insgesamt als soziale Praxis, mit der sich die homogene, exklusive gesellschaftliche Gruppe führender Familien fassen lässt. Als erstes Beispiel legt dabei Marc von der Höh am in Köln in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen Familienbuch des Werner Overstolz die Beziehungen zwischen religiöser memoria und Familiengeschichte dar. Alexa Reggeli zeigt am oberrheinischen, im ausgehenden 15. Jahrhundert geschaffenen Familienbuch Hans Voglers des Älteren und des Jüngeren konkrete Entstehung und praktische Bedeutung auf.

 

Gregor Rohmann untersucht am intertextuellen Beispiel der Familienbuchschreibung der Kölner bzw. Hamburger Ratsherren Hermann von Weinsburg und Joachim Moller die Produktion familienhistorischen Wissens durch die Einspeisung mündlich weitergegebenen Wissens, neugestifteter Familientraditionen und Exzerpten der offiziellen Überlieferung im Umfeld von Rat und Stadtgericht zu Zwecken der Standeslegitimation. Christian Kuhn betrachtet die Stiftungen der Nürnberger Familie Tucher mit dem Ergebnis, dass im Untersuchungszeitraum von 1450 bis 1550 die Reformation nur äußerlich eine Zäsur darstellt. Schließlich verweisen Martin Scheutz und Harald Tersch an Hand dreier oberösterreichischer Selbstzeugnisse aus dem 17. Jahrhundert auf die zunehmende Einbindung von Frauen in die familiäre Schriftlichkeit, so dass der schlanke Band insgesamt vielfältige neue Erkenntnisse vermittelt.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler